Opfer
zum Auto tippte er eine Nummer ins Handy. Als er an den Stufen zur Promenade ankam, hörte er das Klingelsignal.
»Hallo?«, meldete sich eine Frauenstimme.
»Sandra, hier ist Len Rivett. Kann ich mal eben deinen Mann sprechen?«
»Ach, hallo, Len«, erwiderte sie überrascht. »Klar, ich hol ihn schnell.«
Er hörte, wie sie den Hörer im Flur auf das Tischchen legte und rief: »Paul …«
Nelson starrte unbeirrt in die andere Richtung auf den Horizont.
20
SALON
März 1984
Corrine lehnte vor dem Schultor an einer Wand. Sie konnte sich im Fenster des Ford Cortina vor ihr sehen, und endlich gefiel ihr der Anblick. Ihre Haare waren perfekt – hinten schulterlang, oben ein professionell geschnittener Flattop, der vorne in einer Tolle endete, und die Seiten kahlrasiert. Das Ganze schimmerte tiefschwarz.
Sie trug eine abgewandelte Schuluniform, die alle wichtigen Stilanforderungen erfüllte – ein weißes Hemd über einem schwarzen Minirock und einer dicken Strumpfhose, ein schmaler, schwarzer Schlips, eine lange, schwarze Strickjacke und darüber als Corrines persönliches Sahnehäubchen ein dreiviertellanger Fischgrät-Mantel, dazu Lederpikes mit großer, silberner Schnalle am Knöchel. Lizzy, die Cheffriseurin, hatte sie ihr im Winter geschenkt. Gerne, hatte sie gemeint, sie hätten ihr schließlich nie richtig gepasst, und Corrine habe sie sich nach all der harten Arbeit auch verdient.
Außerdem hatte sie gesagt, Corrine sei eine ihrer besten Auszubildenden überhaupt.
Dann sah sie im Fenster, wie Sam hinter ihr durchs Tor kam und die Augen sichtlich neidisch zusammenkniff, als sie den Blick über Corrines Frisur, Mantel und Stiefel streifen ließ. Corrine musste grinsen und drehte sich um, um besser zu sehen, was für ein Gesicht ihre frühere Freundin machte.
»Hi Sam.«
»Alles klar?« Samanthas Mundwinkel hoben sich kurz, aber ihr Blick war eiskalt. Sie ging schnell weiter, musste abernoch kurz einen Blick über die Schulter werfen, um sich zu vergewissern, dass sie richtig gesehen hatte.
»Was hat die denn?« Julian stand neben Corrine.
»Keine Ahnung.« Sie grinste zurück. »Bin ihr wohl nicht mehr gut genug.«
»Tja«, dachte Julian laut nach, damit Sam ihn hören konnte. »Ist ja sowieso ne blöde Kuh, oder?«
Corrine wurde wohlig warm. Sie hatte die Mission erfüllt, auf die Noj sie geschickt hatte, da war sie sich sicher.
*
Alex hielt den Bleistift am langen Arm und nahm mit dem Daumen Maß.
Vor ihm saß Samantha auf ihrem Bett und schaute zur Seite durchs Fenster. »Hast du Corrine in letzter Zeit mal gesehen?«, fragte sie.
»Nein«, erwiderte Alex und markierte eine Stelle auf dem Papier.
»Faszinierend, was ein paar Monate Förderklasse mit einem anstellen«, sagte sie und zupfte an der Bettdecke. »Meinst du, die kriegen da Taschengeld?«
Alex runzelte die Stirn. »Was meinst du damit?«
»Hab sie heute gesehen«, erklärte Sam. »Die hatte ’nen Mantel und Stiefel an, die bestimmt nicht von Tracey Fashions waren.« Sie grinste wie immer, wenn sie die Ernemouther Billig-Teenie-Boutique erwähnte. »Frag mich bloß, wie sie sich so was leisten kann, wo sie sich früher doch immer bei mir durchgeschnorrt hat. Vielleicht« – sie warf Alex einen Blick zu – »hat Debbie ihr ja geholfen. Großherzig, wie sie ist …«
Alex gefiel die Richtung nicht, die das nahm. »Hat sie bestimmt geklaut«, sagte er. »Du weißt doch, wie die ist. Und was interessiert dich das überhaupt? Du wolltest doch nichts mehr mit ihr zu tun haben, oder?«
Alex hatte die Geschichte vom Hund von Sams Oma gehört. Er hatte Corrine nie so recht gemocht, und damit war für ihn alles klar gewesen. Wenn Debbie mit einer Tierquälerin befreundet sein wollte, dann bitte ohne ihn.
Andererseits wurde er immer noch unruhig, wenn er an Debbie dachte.
Sam schob die Ellenbogen nach vorne, so dass ihr Ausschnitt tiefer wurde und sein Blick sofort sank. Jetzt hatte sie ihn wieder da, wo sie ihn haben wollte.
»Sie sah ausnahmsweise ganz cool aus«, fuhr sie fort. »Hat sich die Haare richtig machen lassen. Eine Frisur kann man nicht klauen. Ich will doch nur wissen, wieso sie sich das leisten kann. Oder …« Sie stand vom Bett auf und schlich auf ihn zu. Alex spürte, wie die Luft schwer wurde, wie seine Gedanken Formen annahmen, die er nicht zu Papier bringen konnte. Er konnte das, was sein Körper wollte, nicht von dem ablösen, was sein Verstand ihm sagte.
Sie legte die Hand auf seine, schob ihm den
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