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Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
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erwiderte Rivett.
    »Wie nett der ist, kann ich dir sagen«, entgegnete Eric. »An einem Abend letzten Juli ist plötzlich meine halbe Belegschaft verschwunden. Waren alle auf die Achterbahn geklettert und haben zugeguckt, wie der Junge sich in den Dünen auf irgendeiner Schlampe einen abgeruckelt hat.«
    Rivett lachte liebevoll. »Ja, er hat sich schon ein bisschenausgetobt, was soll ich sagen. Deshalb hat sie ihn mir Weihnachten vorbeigeschickt, damit ich ihn mir mal zur Brust nehme. Stell dir vor, er würde gern zur Polizei gehen, ’nen richtigen Mann aus sich machen. Mit dem richtigen Mentor kann echt was aus dem werden. Ich mach’ euch bei Gelegenheit mal bekannt.«
    »Das ist doch ein Witz, oder?«, fragte Eric.
    »Ganz und gar nicht«, erwiderte Rivett. »Du weißt doch, dass ich nur das Beste für uns will, Eric. Und eine Ehe zwischen unseren Familien … Stell dir das mal vor.«
    Eric öffnete den Mund und schloss ihn wortlos wieder.
    »Tja, also dann«, setzte Rivett gutgelaunt fort. »Jetzt, wo du deinen Spaß mit Gina hattest – wie von mir prophezeit –, muss ich mal los, alles andere in Ordnung bringen, was sie versaut hat.« Er zwinkerte auf dem Weg zur Tür. »Ich fang mir jetzt ’nen zotteligen, alten Wolf – bin gerade so richtig in Stimmung gekommen.«

27
    ZUFLUCHT
    März 2003
    Sean und Rivett standen unter dem quietschenden Pub-Schild und schauten sich den offenen Pappkarton im Kofferraum des Älteren an.
    »Die beiden sind für Sie.« Rivett gab Sean zwei versiegelte, beschriftete DNA-Sets. »Und ich spüre den Dritten auch noch für Sie auf, richtig?«
    Sean nickte. »Danke. Wäre unser Mr Prim Ihrer Meinung nach ein Kandidat, der eine Nacht lang im Bunker Kerzen abbrennen würde?«, fragte er.
    Rivett zog die Augenbrauen hoch. »Waren Sie schon mal bei ’nem Biker zu Hause?«
    »Die Ehre hatte ich leider noch nicht«, erwiderte Sean.
    »Aber einen Heroindealer haben Sie sicher schon mal besuchen müssen, oder?«
    Sean nickte.
    »Dann wissen Sie auch, was die Typen für einen Kerzenverbrauch haben. Das gehört irgendwie zu dem ganzen Mystik-Schwachsinn, an den die alle glauben. Dazu noch ein zerfressenes Gehirn und die absolute Duschverweigerung, und das Bild ist komplett.« Rivett verzog das Gesicht. »Und unser Einstein meinte eben, wir suchen jemand Sauberen, Ordentlichen.«
    »Ich weiß, was Sie meinen«, sagte Sean grinsend.
    Rivett grinste zurück. »Aber schaden wird’s sicher nicht, wenn ich dem ein bisschen die Hölle heiß mache, was? Ach ja, hier sind noch die frischen Sets, die Sie bestellt hatten.«
    »Danke«, sagte Sean.
    »Na dann.« Rivett schlug die Kofferraumklappe zu. »Waidmanns Heil! Bis später im Büro.«
    Sean hinkte zurück zum Auto. Bei den Wegen über die Dünen war durch den schneidenden Wind das Metall in seinen Beinen eingefroren, und seine Finger waren auch ganz taub. Rivett dagegen hatte es wohl eilig wegzukommen. Er raste los und hupte noch schnell einen Gruß.
    Sean sah ihm nach, bis der Rover hinter der Brücke verschwand. Nachdem er sich in alle Richtungen umgesehen hatte, ging er zurück zur Ufermauer. Am Fuß der Treppe fand er, was er gesucht hatte.
    Er steckte Rivetts Zigarrenstummel in das erste Tütchen.
    *
    »Hallo?«
    Sean stand schon seit zehn Minuten vor Sheila Alcotts Tür. Er hatte mehrmals die Klingel gedrückt, dann beschlossen, dass sie wohl kaputt war, und den Messingklopfer gegen die Tür gehämmert. Zuletzt trat er einen Schritt zurück, rief und sah sich dabei die Diamantmuster-Fenster an.
    Sie starrten leer zurück.
    Sean schüttelte den Kopf, sah auf die Uhr und ging ums Haus. Zehn nach drei, der Sekundenzeiger zog zuverlässig seine Runden. Er war pünktlich und wurde erwartet.
    »Hallo?«, rief er noch einmal.
    Nur die Krähen krächzten eintönig zurück.
    Der optimistisch Greenfields genannte kleine Hof der Alcotts bestand aus einem Flintstein-Bauernhaus, das so dicht von einem alten Blauregen umrankt war, dass es aussah, als würde es allein von der Pflanze aufrecht gehalten werden, und aus ein paar Nebengebäuden um einen betonierten Hof. Dahinter lagen die Weiden, auf denen in der Ferne vereinzelte schwarzbunte Kühe zu sehen waren.
    Um die Häuser stand ein Wäldchen, in dessen oberen kahlen Ästen die Krähen nisteten. Die Sonne hatte ihre früheren Versuche aufgegeben, durch die Wolken zu brechen, die sich auf seiner Fahrt die Acle Straight hinauf verdunkelt und schließlich abgeregnet hatten. Jetzt hingen sie wie ein

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