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Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
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jemand um den Fall kümmert, der nicht zur verdammten Polizei von Ernemouth gehört.«
    *
    Im Keller des Ship Hotel flitzten Damon Boones Finger über die Tastatur seines Laptops und öffneten mehrere Fenster.
    »Nicht mehr lange«, sagte er und warf sich den langen, fettigen Pony aus den Augen.
    »Da bin ich mal gespannt, Junge«, erwiderte Rivett, der neben ihm saß und angestrengt lächelte, während sein Blick durch das Zimmer des Sohnes der Wirtin schweifte.
    Hier unten standen nichts als Computer in verschiedenen Formen und Größen. Sie summten auf ihren Regalen vor sich hin, und ihre Innereien waren mit dicken, grauen Spaghetti-Kabeln verbunden, die sich in kleinen Kästen mit allerlei Blinklichtern trafen. Auf manchen Monitoren liefen Zahlenfolgenauf und ab, auf anderen führten Graphiksequenzen die Augen auf eine Achterbahn der optischen Täuschungen. Rivett fühlte sich in dieser wahr gewordenen Tomorrow’s World nicht wohl. Die Veränderungen, die diese Entwicklungen mit sich gebracht hatten, gefielen ihm gar nicht.
    Heutzutage hatten diese Neunmalklugen alles in der Hand. Vom Einstein bei der Spurensicherung bis zu diesem Q hier neben ihm, der von »dreifach verschlüsselten Passwörtern« und anderem solchen Schnickschnack faselte.
    »In Zimmer vier war’s am einfachsten«, erklärte Damon. »In der Vorhangleiste oben im Erkerfenster stecken vier Spycams, die so ziemlich jeden Winkel im Blick haben. Im Kopfbrett steckt noch eine, und natürlich noch eine in der Lampe über dem Schreibtisch. Muss aber auch sein.« Er zeigte auf den Bildschirm. »Ihr Mann kann einfach nicht stillsitzen.«
    Rivett sah sich die Bildreihen an, die jetzt in den Fenstern auf dem Monitor angezeigt wurden. Aus verschiedenen Blickwinkeln war Sean Ward in seinem Hotelzimmer bei der Arbeit am Laptop zu sehen. Mal saß er am Schreibtisch, mal lag er quer auf dem Bett, mal lehnte er mit dem Gerät auf dem Schoß am Kopfbrett. Für Rivett am interessantesten war die Szene, in der Ward die Unterlagen einer Sozialarbeiterin las.
    »Und hier der Hauptgewinn.« Damon vergrößerte ein Fenster auf den gesamten Monitor. Man sah Sean am Schreibtisch. »Da, jetzt loggt er sich ein.«
    Rivett starrte die körnige Aufnahme an.
    »Achten Sie auf seine Finger.« Damon lehnte sich für Rivetts Geschmack ein bisschen zu nah an den Bildschirm und tippte auf der Tastatur herum, wodurch er die Abspielgeschwindigkeit verlangsamte.
    »Das hab ich mir ein paarmal genau angesehen, und jetzt kenne ich sein Passwort.«
    Rivett warf ihm einen Blick zu, und der Junge hörte auf anzugeben und kam lieber schnell zur Sache.
    »Und hier haben wir« – Damon schloss schnell alle Fensterund öffnete ein neues: Eine Seite voller E-Mail-Betreffzeilen füllte den Bildschirm – »sein Postfach.« Damon lehnte sich zurück und rutschte mit dem Stuhl zur Seite. Sein Magen rumorte. »Er löscht sie immer gleich nach dem Lesen, aber ich konnte sie wiederherstellen. Bedienen Sie sich.«
    Rivett suchte den Bildschirm ab. Die letzte E-Mail war vor nicht mal fünf Minuten eingegangen. Absender FRANCESCA RYMAN, Betreff LEIERKASTENMANN/AFFE. Er brauchte einen Augenblick, bis er den Namen zugeordnet und verarbeitet hatte, was Wards Korrespondenz mit der Redakteurin des Ernemouth Mercury bedeutete.
    Ich folge der Spur des Geldes , las er. Hab einen Experten auf mögliche Geschäfte von R&S angesetzt. Wenn es da etwas gibt, findet er es. Rufe jetzt die Pressestelle an und mache einen Termin mit S aus.
    Rivett pfiff durch die Zähne. Die beiden waren schlauer, als er gedacht hatte. Zum Glück hatte er immer einen Plan B.
    »Wusst ich’s doch, dass aus dir mal was wird«, sagte er zu Damon. »Kann ich mir eben mal dein Telefon leihen, während du uns ’nen Tee machst? Und lass dir Zeit, ja, Junge?«
    »Klar.« Damon gab ihm hastig das Festnetztelefon und stand auf.
    Als er die Tür hinter sich schloss, hörte er Rivett noch sagen: »Hallo, Pat?«
    *
    Die Pendeluhr im Flur schlug fünf Mal. Der Obstkuchen war über die letzten beiden Stunden stark geschrumpft, und die Reste der dritten Kanne Tee träufelten gerade in Sheilas Tasse.
    Sie stellte die Kanne ab und rieb sich die Augen, wobei sie sich den blauen Lidschatten über die Wange schmierte. Sie hatte alles ans Licht geholt, was sich über zwei Jahrzehnte bei ihr aufgestaut hatte, und war jetzt müde.
    »Soll ich noch eine machen?«, fragte sie.
    Sean schüttelte den Kopf. »Nein, vielen Dank.« Er legte die Hand aufs

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