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Opfer

Opfer

Titel: Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathi Unsworth
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Schleier über den Erhebungen der Häuser, und an den Telefondrähten über Sean bildeten sich Tropfen.
    Er ließ den Blick über den Hof schweifen. Hinter einem offenen Scheunentor standen ein uralter Traktor in verschiedenen Rost- und Matschtönen sowie eine Reihe von Gerätschaften, die Sean an mittelalterliche Folterinstrumente erinnerten – Stachel und Sensen, aufgerollte Ketten auf riesigen Spindeln. Seine Gedanken kehrten zurück zu dem Buch von Mr Farrer und den Geschichten von Swings Kumpanen.
    Ein grünes Augenpaar starrte ihn aus dem Halbdunkel an. Sean blieb das Herz stehen. Doch dann merkte er, dass dort nur eine fette getigerte Katze auf einem Heuballen saß. Das Tier maunzte und zeigte dabei seine scharfen, weißen Zähne. Sean zuckte zusammen, als er im gleichen Augenblick ein Quietschen und dann Schritte hinter sich hörte. Er fuhr herum und sah eine kleine Frau mit Wachsjacke, Cordhose, Gummistiefeln und einem Kopftuch, das ihre graumelierten Locken nur halb bedeckte, eine Schubkarre auf den Hof schieben.
    »Oh!« Sie sah Sean erschrocken an, setzte die Karre ab, schob sich den Ärmel hoch und sah auf die Uhr. »So spät ist es schon?«
    Sean lachte erleichtert. Mit ihrer schiefen Kopfbedeckung und ihrem Mother’s-Union-Abzeichen sah Sheila wirklich nicht wie einer der blutrünstigen Rebellen aus dem neunzehnten Jahrhundert aus, die ihm bei dem Anblick des düsteren Hofs vorgeschwebt hatten.
    »Ich war gerade am Komposthaufen«, erklärte sie und schob die Karre weiter in die offene Scheune. »Tut mir schrecklich leid, dass ich Sie hab warten lassen. Sie sind bestimmt Mr Ward.«
    »Genau.« Sean folgte ihr. Die Katze streckte sich, gähnte,sprang vom Heuballen, rieb ihren breiten, flachen Kopf an Seans Beinen und schnurrte wie eine Dampflok.
    »Sheila Alcott.« Sie zog die rechte Hand aus ihrem dicken, gelben Lederhandschuh und streckte sie Sean entgegen. »Und das da ist eine große Ehre.« Sie warf einen Blick auf die Katze. »Normalerweise redest du nicht mit Fremden, oder, Minnie?«
    Sean hörte in ihrer Stimme eine Spur von Midlands-Akzent. Sie wohnte schon lange hier, war hier aber nicht aufgewachsen.
    »Kommen Sie rein«, sie führte ihn aus der Scheune und schloss das Tor hinter ihnen. »Ich mach’ uns einen Tee. Sie sehen ja ganz durchgefroren aus.«
    »Ja«, gab Sean zu. »Wie lange dauert’s, bis man sich akklimatisiert hat?«
    »Ach, vielleicht so dreißig Jahre«, erwiderte Sheila, als sie die Hintertür öffnete.
    Sean duckte sich durch den Eingang. Drinnen war es so bunt, wie es draußen grau gewesen war. In der Küche quollen Wildblumen aus roten und blauen Glasvasen, hingen getrocknete Gewürze von den Balken und strahlten fröhliche Gesichter von Fotos auf allen Regalen und Fensterbänken.
    »Wir können uns einfach hier hinsetzen«, sagte Sheila und schaltete den alten Gasboiler an, der verheißungsvoll gurgelte. »Das ist der wärmste Raum im ganzen Haus.«
    Sean setzte sich an den Kieferntisch, während Sheila den Wasserkocher anschaltete und Weidenmuster-Porzellan von der Anrichte holte. Die Katze schlich in ihr Körbchen, drehte sich dreimal im Kreis und ließ sich auf einer Patchworkdecke nieder, von wo sie Sean mit halbgeschlossenen Augen überwachte.
    »Mein Mann macht Hausbesuche.« Sheila stellte einen selbstgebackenen Obstkuchen auf den Tisch. »Der kommt erst in ein paar Stunden wieder nach Hause.«
    Sean folgte ihrem Blick zum Foto eines lächelnden Mannes mit Kollar und sah sich dann noch einmal das verschlungene,verzierte Kreuz an, das sie um den Hals trug. Den beiden half ihr Glauben offensichtlich durchs Leben.
    Sean fragte sich oft, ob auch ihm so eine Überzeugung hätte helfen können. Aber seine Vorstellung von einem gerechten Gott war zerstört worden, als sein Vater in einem Sarg von Goose Green zurückkehrte. Selbst in seinen dunkelsten Stunden im Krankenhaus hatte er nicht mehr versucht, Ihn zu finden.
    Sheila setzte sich ihm gegenüber. Sie nahm sich einen Löffel und hob den Deckel von der Kanne.
    »Sie wirbeln hier ja ganz schön was auf«, sagte sie mit deutlichem Akzent und grinste ihn alles andere als fromm an.
    »Ich habe den Bericht gelesen, den Sie Francesca Ryman gegeben haben«, sagte Sean und nickte. »Und ich finde es schon besorgniserregend, dass nichts davon vor Gericht verwendet wurde.«
    Sheila setzte klirrend den Deckel auf die Teekanne.
    »Wenn ich Gott heute für eins danke«, sagte sie, »dann dafür, dass sich nach all den Jahren

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