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Opfere dich

Opfere dich

Titel: Opfere dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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ein schwarzes. Es war das einzige Cocktailkleid, das sie besaß, also musste es auch für diese Einladung herhalten. Ungeschickterweise lag ihr Mantel auf dem Rücksitz, und die Wagenheizung brauchte eine Ewigkeit, um den Innenraum aufzuwärmen.
    Malcolm seufzte, denn er glaubte ihr kein Wort. „Bei mir brauchst du nicht die harte Polizistin zu spielen, Storm. Ich weiß, dass die Aufzeichnung dich nicht kaltgelassen hat. Du denkst die ganze Zeit daran, siehst das Video immer wieder vor deinem geistigen Auge, wie eine Wiederholung, eine Endlosschleife. So geht es uns allen.“
    „Du kennst mich einfach zu gut.“ Sie prüfte im Rückspiegel, ob Officer Decker in seinem Undercoverwagen noch hinter ihr war. Er war zu ihrem Schutz abgestellt worden und folgte ihr mehr oder minder unauffällig.
    „Lass nicht zu, dass der Wachsmörder dich einschüchtert“, bat er. „Sieh dich nicht an Megans Stelle. Du wirst nie – nie dort liegen. Hast du mich verstanden?“
    „Ja, Dad.“ Sie lachte, aber ihr Lachen klang gequält. Die Straße bog nach links ab. Die Lichter der Stadt lagen hinter ihr. Es war dunkler, weil die Straßenbeleuchtung auf der Landstraße spärlich war. Eine Gesprächspause entstand, und Storm hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen. „Denkt der Kerl wirklich, dass dieses Video mich davon überzeugen könnte, mich ihm auszuliefern, als sein letztes Opfer? Es bewirkt das genaue Gegenteil.“
    „Es geht ihm darum, dir vor Augen zu führen, wie sehr die Frauen leiden, und dich glauben zu machen, du könntest sie vor diesem Leid bewahren. Er liebt es, Menschen zu manipulieren.“
    Storm lenkte ihren Wagen in die Allee, die zum Haus ihrer Eltern führte. „Ich bin gleich da und muss jetzt Schluss machen. Wir sehen uns morgen.“
    „Halt die Ohren steif. Und – es spricht nichts dagegen, ausnahmsweise mal eine Schlaftablette zu nehmen.“
    Malcolm hatte aufgelegt, bevor sie Einwände erheben konnte. Sie wusste, er hatte ihr nicht den Rat erteilt, weil sie in der letzten Nacht nur zwei Stunden geschlafen hatte, zumal auf der harten, mit Gummi überzogenen Pritsche einer Gefängniszelle, sondern weil er befürchtete, sie könnte von Alpträumen heimgesucht werden.
    Vielleicht hätte sie die Einladung ihrer Eltern absagen sollen, aber das hätte ihre Mutter ihr nie verziehen. Es gab nicht wirklich etwas zu feiern. Ihre Mom gab lediglich ihre erste Charity Party. Welche Organisation sie mit dieser Aktion unterstützte, wusste Storm nicht einmal. Alle Frauen wohlhabender Männer gaben solche Partys, also musste Teresa Harper auch damit anfangen. Möglicherweise war ihr auch einfach nur langweilig.
    Storm steckte ihr Mobiltelefon in ihre Handtasche, die auf dem Beifahrersitz lag. Ihren Wagen stellte sie auf dem Besucherparkplatz ab, der zwanzig Meter vom Haus entfernt lag. Sie stieg aus und überlegte, ob das Schild an der Einfahrt „Privatparkplatz – unberechtigte Parker werden kostenpflichtig abgeschleppt“ schon immer dort gestanden hatte oder neu war.
    Weil sie zu faul war, ihren Mantel anzuziehen, legte sie ihn sich nur über den Arm, schnappte sich ihre Handtasche und ging schnellen Schrittes den Kiesweg zum Haus hoch. Sie fluchte. Es war nicht einfach, und sie war es nicht gewohnt, mit Stöckelschuhen über Kies zu gehen. Im Augenwinkel sah sie, dass Decker auf der gegenüberliegenden Seite parkte. Hatte er den letzten freien Stellplatz nicht bemerkt? Oder glaubte er, dass der Abstand ihn unauffälliger erscheinen ließ? Das Gegenteil war der Fall, denn in diesem exklusiven Viertel, das am Ufer des Michigansees lag, parkten keine Autos am Straßenrand. Hier hatte jedes Haus seine eigenen Stellplätze.
    Das Haus ihrer Eltern war protzig. Zu protzig für Storms Geschmack. Sie war hier nicht aufgewachsen. Ihre Mom und ihr Dad hatten es erst vor fünf Jahren gekauft. Eventuell hatte das den Wachsmörder auf Storm aufmerksam gemacht, denn alle seine Opfer stammten aus reichem Haus. Teresa und Jasper Harper allerdings waren gar nicht wirklich stinkreich. Die Bezeichnung „wohlhabend“ fand Storm passender. Sie hatten keine Millionen auf dem Konto, doch genau das signalisierte ihr Domizil. Es war groß, hell, lag inmitten eines kleinen Parks, und es standen hüfthohe antik aussehende Vasen mit riesigen Blumensträußen vor dem Eingang, als wollten ihre Eltern den Präsidenten der Vereinigten Staaten willkommen heißen.
    Storm klingelte. Sie hatte fest damit gerechnet, dass ihre Mutter extra jemanden

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