Opfere dich
Genaueres kann ich erst nach weiteren Untersuchungen sagen.“
„So lange schon?“ Storm konnte es kaum glauben.
„Das bedeutet wohl, dass Megan Cropps doch schon länger tot war, als der Wachsmörder dich im Garten deiner Eltern überrascht hat“, schlussfolgerte Malcolm. Obwohl er mit Storm sprach, sah er Lucille an. Er stand auf, ging zu der Rechtsmedizinerin und nahm ihr den Autopsiebericht aus der Hand.
„Aber er hat nach Vanille geduftet.“ Storm erinnerte sich genau. Sie hatte sich das nicht nur eingebildet.
„Duftkerzen riechen aber nie so intensiv“, warf Lucille ein. „Es ist wahrscheinlicher, dass der Killer ein Vanillespray benutzt hat, um bei dir eine bestimmte Assoziation hervorzurufen.“
Storm nickte. „Um mir Angst zu machen und uns in die Irre zu führen.“ Vermutlich war Megan schon nicht mehr am Leben gewesen, als der Wachsmörder Storm zu Hause angerufen hatte. Alle Hoffnung war umsonst gewesen.
„Oder weil der Duft eine Erinnerung bei ihm weckt – an die Opfer oder an etwas, das weiter zurückliegt und das Morden ausgelöst hat – und ihn erregt“, bemerkte ihr Partner.
„Bei Megan musste er sich beeilen. Er hatte sie mit einem spitzen Gegenstand gestochen und dabei versehentlich ein Blutgefäß getroffen. Wir haben zahlreiche Einstichstellen im Rippenbereich gefunden. Eine davon hat ihm die Suppe versalzen“, berichtete Canberra mit Genugtuung.
„Warum?“ Storm hasste es, diese grausamen Details zu hören, aber es gehörte zum Polizeidienst nun mal dazu.
Die Rechtsmedizinerin hielt Daumen, Zeige-und Mittelfinger hoch. Ihre künstlichen Fingernägel waren mit Ornamenten verziert, auf dem Zeigefinger klebte sogar ein Strassstein. „Wir haben drei Liter Blut in Megans Brustkorb gefunden. Das Gefäß hat in sie hineingeblutet. Er muss ihre schlechte Verfassung zwar bemerkt haben, konnte die Ursache aber nicht feststellen und sie somit auch nicht stabilisieren.“
Storm dachte laut nach und schlussfolgerte: „Er war gezwungen, sie früher zu töten, als er es geplant hatte.“
„Damit er seinen Wachs-Fetisch noch an ihr ausführen konnte, bevor sie starb“, führte Malcolm den Gedanken zu Ende.
Lucille lächelte ihn an. „Du weißt ja, wo du mich findest. Ich muss weiterarbeiten. Ihr bringt mir einfach zu viele Leichen.“ Dann stakste sie aus dem Büro. Ja, das war gestern gewesen, dachte Storm. Was der heutige Tag wohl an Überraschungen bringen würde?
„Sie können jetzt zu Commissioner Lombard reingehen“, sagte Jamie LaBelle und schaute von ihrem Computer auf.
Storm schreckte aus ihren Gedanken hoch und hob ihre Augenbrauen.
„Sie fragen sich, woher ich weiß, dass er jetzt frei ist, nicht wahr?“ LaBelle lächelte verschmitzt und zeigte auf ihren Bildschirm. „Lobster hat mir eine Nachricht über Instant Messenger geschrieben. So nennen Sie ihn doch alle, oder?“
Storm würde den Teufel tun und diese Frage beantworten. Rasch steckte sie sich ein Pfefferminzbonbon in die Wangentasche, damit sie einen besseren Atem hatte. Der Polizeichef konnte Raucher nicht leiden. Er hatte einmal hochgerechnet, dass sie eine Stunde täglich weniger arbeiteten als Nichtraucher. Die Überstunden, die alle machten, hielt er dagegen für selbstverständlich.
Sie klopfte mit dem Fingerknöchel leise gegen Lombards Bürotür und trat in die Höhle des Löwen.
„Setzen Sie sich, Harper.“ Während Storm Platz nahm, schaute er aus dem Fenster. Vermutlich prüfte er, ob die Reporter das Police Department immer noch belagerten. Natürlich waren sie noch da. Sie hatten Blut geleckt. Dann drehte er sich um, lehnte sich mit seiner Kehrseite gegen die Fensterbank und verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. „Harper, Sie haben ein Problem mit Männern.“
„Oder Männer mit mir“, entgegnete sie kess.
Er lachte. Große gerötete Flecken waren auf seinem Gesicht und seinem Hals zu sehen. „Genau mit dieser frechen Art haben Sie höchstwahrscheinlich den Wachsmörder auf sich aufmerksam gemacht. Sie haben keinen Respekt vor gar nichts, dafür aber Kampfgeist. Das gefällt mir.“
Storm rutschte auf dem unbequemen Stuhl hin und her.
„Ich habe Agent Manning gestern befragt.“ Der Commissioner machte eine Pause. „Er erzählte mir eine ganz andere Version der Geschichte als Sie.“
„Das war zu erwarten.“ Sie nickte und wappnete sich auf die Schelte.
„Das sehe ich auch so. Deshalb habe ich beim FBI nachgehakt, und es stellt sich heraus, dass es einen
Weitere Kostenlose Bücher