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genug. Special Agent Landon Manning war zu weit gegangen. Viel zu weit.
„Wie ich bei unserer ersten Begegnung bereits sagte“, Storm neigte sich zu ihm herunter, „Sie passen in das Profil des Wachsmörders. Sie leiden beide an Selbstüberschätzung.“
10.
Zwei Tage später stand Storm im Vorzimmer von Lombard neben dem Schreibtisch seiner Sekretärin Jamie LaBelle und wartete darauf, dass der Commissioner das Telefonat, das er gerade führte, beendete und sie zu sich hereinbat. Er hatte sie für zehn Uhr bestellt. Jetzt war es bereits zwanzig nach zehn. Unruhig verlagerte sie ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen.
„Wollen Sie sich nicht doch setzen?“, fragte die Sekretärin, die an ihrem Computer saß und ihre Eingabe kurz unterbrach. „Kostet dasselbe.“
Storm schüttelte den Kopf und bemühte sich, ruhig zu wirken, weil sie wusste, dass LaBelle dem Polizeichef brühwarm von ihrer Nervosität berichten würde, sobald Storm gegangen war. Sie hatte Landon Manning eins auf die Nase gegeben, hatte ihn übel zugerichtet. Einen Berater des Federal Bureau of Investigation. Lobster konnte das unmöglich gutheißen. Bestimmt hatte er Ärger aus Washington, D.C., bekommen und würde ihn an sie weiterreichen. Vielleicht war der Schlag in die Weichteile nicht mehr notwendig gewesen, aber Storm würde immer wieder so handeln.
„Betrachte einen Feind erst als ausgeschaltet, wenn er auf dem Boden liegt. Keinen Deut früher“, hatte Jasper Harper ihr eingeimpft. Ihr Dad meinte dies natürlich im geschäftlichen Sinne.
Der Special Agent war seit dem Vorfall in der Tiefgarage nicht mehr aufgetaucht. Offiziell war er krank. Er musste definitiv einen Arzt aufgesucht haben, um überprüfen zu lassen, ob seine Nase gebrochen war. Aber Storm nahm an, dass er aus Scham dem Dienst fernblieb. Möglicherweise war er auch nach D.C. zurückgekehrt. Wo auch immer Manning sich aufhielt, Storm ging davon aus, dass er sich bei Lobster über sie beschwert hatte und der Polizeichef sie daher zu sich bestellt hatte, um sein Donnerwetter loszuwerden.
Storm selbst hatte ihren Kollegen gegenüber den Vorfall nicht erwähnt, es aber als ihre Pflicht erachtet, Commissioner Lombard davon in Kenntnis zu setzen. Hoffentlich hatte sie damit nicht ihr Todesurteil unterschrieben und würde vom Fall abgezogen werden.
Tod. Er war seit anderthalb Jahren allgegenwärtig. Und seit anderthalb Wochen stand er sozusagen nun direkt vor ihrer Tür.
Sie rief sich das gestrige Gespräch mit Lucille Canberra in Erinnerung. Die Gerichtsmedizinerin war in das Büro von Storm und Malcolm stolziert und hatte ihnen die ersten Autopsieergebnisse von Megan Cropps gebracht.
„Obwohl der Killer den Leichnam gewaschen hat, habe ich einige junge Schmeißfliegenlarven in einer Fäulnisblase unter der Haut gefunden.“ Selbstzufrieden fächerte Lucille sich mit dem Bericht Luft zu.
„Larven?“, echote Storm. Lucille trug unter ihrem Laborkittel einen engen grauen Wollminirock und Stiefel, die ihr bis über die Knie reichten. Wie immer hatte die schokobraune Schönheit ihre vollen Lippen blutrot geschminkt, und Storm fragte sich, weshalb sie so viel Wert auf ihre Erscheinung legte, wenn sie es meist nur mit Toten zu tun hatte. Vielleicht bemühte sie sich um einen Kontrast, um ihre Lebendigkeit zu unterstreichen.
Lucille nickte. „Genau genommen waren es Larven der Sarcophagidae, der Fleischfliegen, die aus einem Geschmeiß, das sich zwischen zwei Hautschichten im Nacken, knapp unter der Wachsmaske, befand, geschlüpft waren. Maden meiden Licht, Wind, Trockenheit und Kälte und haben sich unter die Haut geflüchtet.“ Lucille deutete zu den Fenstern. Dicke Regentropfen prasselten gegen die Scheibe. „Die Temperaturen sind niedrig. Ich weiß nicht, wo die Leiche gelegen hat, aber in einem beheizten Raum kann es nicht gewesen sein, sonst hätten sich bereits Tönnchen gebildet, aus denen später die Fliegen geschlüpft wären, aber die Metamorphose hatte noch nicht begonnen. Draußen in der Kälte kann es auch nicht gewesen sein, daher tippe ich auf einen Keller, einen Geräteschuppen oder ein Gartenhäuschen.“
„Kann man dadurch Rückschlüsse auf den Todeszeitpunkt von Megan Cropps ziehen?“, wollte Malcolm wissen, und Storm bemerkte ein Leuchten in seinen Augen, das nicht der Frage, sondern Lucille galt.
„Larven alleine reichen nicht aus, aber aus entomologischer Sicht würde ich auf einen Zeitraum von acht bis zwölf Tagen tippen. Etwas
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