Opfere dich
entgegen. Gleich der oberste jedoch machte sie stutzig. Es war ein tabellarischer Lebenslauf. Er musste von Jordans Bewerbung stammen. Oben rechts war ein Foto aufgedruckt. Der Mann war so extrem dünn, dass seine Wangenknochen hervorstanden. Sein Hals wirkte sehnig. Er trug einen schwarzen Anzug und eine dunkle Krawatte, die man auf dem Fax kaum erkennen konnte.
Storm las den Namen, der über dem Lebenslauf geschrieben stand. Neville Jordan. Verdutzt betrachtete sie das Foto ein zweites Mal eingehend. Dann sah sie auf und hielt ihren Kollegen das Bild hin. Sie tippte aufgebracht mit dem Finger gegen das Papier.
„Das ist nicht Jordan.“ Sie korrigierte sich. „Ich meine, das ist nicht der Mann, der an meine Haustür geklopft und mir eine Tornado-Versicherung aufschwatzen wollte.“
12.
Zu viel Blut. Zu viel Leid. Zu viele Tote. Das gefällt dir doch gar nicht. War Gil gar nicht das erste männliche Opfer des Wachsmörders? Hatte der Killer Neville Jordan umgebracht und seine Identität angenommen, um Storm inkognito gegenüberzutreten?
Betreten schaute Benhurst auf seine Schuhe. Sein Kopf leuchtete hochrot wie eine Signalleuchte. „Ich hatte mir das Fax nicht angeschaut. Weil ich es doch so schnell wie möglich zu dir bringen wollte.“
Storm verdrehte die Augen und reichte Malcolm die Papiere, damit er sich das Bild anschauen konnte. Ihr Partner blinzelte und hielt das Foto näher an seine Augen. Er schüttelte den Kopf. Dann holte er eine Lesebrille aus der obersten Schublade seines Schreibtischs, setzte sie auf und betrachtete das Fax erneut. Kurz schaute er über den Brillenrand zu Storm. „Hab ich seit einer Woche. Scheint, dass ich alt werde. Mein Sehvermögen lässt nach.“
Sie lächelte nur, denn sie konnte sich keinen anderen Partner als ihn vorstellen. Ihr Blick streifte Benhurst. Der junge Officer machte einen Fehler nach dem anderen. Er hätte die Personalakte sofort anfordern sollen, noch während sie den falschen Jordan verhört hatten. Ein Blick auf das Foto hätte gereicht, nur ein kurzer Blick. Er hätte die Akte nicht einmal lesen brauchen. Verdammt! Storm war sauer. Sie würde mit Ben reden müssen, aber unter vier Augen.
„Wir müssen beide Jordans finden, den echten und den falschen“, sagte Storm aufgewühlt. „Wir müssen ein Phantombild von dem falschen Vertreter anfertigen lassen und nach beiden fahnden.“
„Aber vielleicht ist einer der beiden bei der Explosion umgekommen.“ Patterson nahm das Fax, das Malcolm ihm reichte, und betrachtete das Foto kaugummikauend.
„Es war nicht Neville Jordan. Weder der echte, noch der falsche.“ Sie seufzte. „Mehr werdet ihr gleich bei der Besprechung erfahren. Bitte fragt nicht. Lobster reißt mir sonst den Kopf ab.“
Ihre Kollegen starrten sie an, aber niemand hakte nach. Sie alle wussten, wie es war, wenn Lombard ausrastete.
„Okay, dann informiere ich die Presse. Diesmal kann sie uns behilflich sein.“ Noch immer sah Benhurst nicht auf. Er eilte hinter seinem Partner her, der in Richtung Ausgang schritt.
„Ich sage dem Phantomzeichner Bescheid, dass er gebraucht wird“, sagte Patterson mehr zu sich selbst als zu den Kollegen. „Und ich hole mir einen richterlichen Beschluss für die IP-Adresse des Mail-Schreibers.“
Doch bevor die beiden Officer die Tür erreicht hatten, stand Commissioner Lombard im Türrahmen. Sein Teint konnte mit dem von Benhurst konkurrieren. Er kramte ein blaukariertes Stofftaschentuch aus der Hosentasche und wischte sich damit über die Stirn. „Es wurde gerade eine Frau vermisst gemeldet, die in das Beuteschema des Wachsmörders passt.“
„Jetzt schon?“ Storm war entsetzt. Megan Cropps war doch gerade erst tot aufgefunden worden. Normalerweise bedeutete das, dass das PD einige Wochen oder Monate Zeit hatte, bevor der Killer erneut zuschlug. Er machte eine rasend schnelle Entwicklung durch. Seine Gier wuchs rasch. War Storm der Auslöser dafür? Oder war das neue Opfer nur Mittel zum Zweck, Teil des Psychospielchens mit ihr, Storm?
„Ihr Name ist Carol Frost.“ Lobster machte einen Schritt in das Büro hinein. „Ihr Vater leitet die Firma Hovercraft Expeditions. Sie bieten Ausflüge mit dem Luftkissenboot auf dem Lake Huron an. Die Verwaltungszentrale, in der Mrs. Frost arbeitet, befindet sich in Fort Twistdale. Sie ist achtundzwanzig und hat kurze hellblonde Haare, wie alle Opfer. Seit sechs Jahren mit Joseph Frost verheiratet. Sie haben eine dreijährige Tochter:
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