Opfere dich
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„Lass mich raten“, begann sie und legte den Zeigefinger an ihre Lippen, als würde sie grübeln. „Es wurde nur eine einzige E-Mail von diesem Account aus verschickt: an mich.“
Patterson blickte geknickt. Das reichte ihr als Antwort. „Ich kann es nicht beweisen, aber ich bin der Meinung, dass die Mail echt ist und dass der Wachsmörder die Explosion in Jordans Wohnung verursacht hat“, sagte sie. „Er macht Druck. Er drängt sich in mein Leben. Erst der Anruf zu Hause, dann die Begegnung bei meinen Eltern, die E-Mail –“ Ihre Stimme versagte, weil sie an die verkohlte Leiche dachte. Storm tat so, als hätte sie einen Frosch im Hals, und trank einen Schluck Wasser. Sie wollte nicht, dass ihre Kollegen erfuhren, wie nah ihr das alles ging.
„Der Scheißkerl beobachtet dich.“ Patterson schnaubte. „Er zeigt, was er drauf hat, und taucht in verschiedenen Bereichen deines Lebens auf, um dir seine Macht zu beweisen. Aber er kann doch nicht allen Ernstes glauben, dass du aus freien Stücken zu ihm kommen wirst, oder?“
„Doch, er ist nicht ganz dicht im Kopf“, korrigierte Malcolm ihn und tippte mit dem Zeigefinger gegen seine Stirn. „Er tickt anders als du und ich. Das darfst du nie vergessen. Nach dem Gespräch am Seeufer könnte er sogar eine gewisse Verbundenheit mit ihr empfinden, weil er Parallelen zu seinem Leben sieht.“
Storm bekam eine Gänsehaut und zog die Ärmel ihres Pullovers herunter, damit es nicht auffiel. „Glaubt ihr, ich könnte ihn wirklich aufhalten?“
„Nicht, indem du dich opferst. Ganz sicher nicht! Drüber darfst du nicht einmal nachdenken“, ermahnte Malcolm sie. „Selbst wenn du dich ihm nur als Köder auslieferst, hielten wir das Risiko für zu groß.“ Er erhob sich, stellte sich neben Patterson und baute sich vor ihr auf, wie ein lebendiges Mahnmal. „Außerdem wird er erst aufhören, wenn wir ihn dingfest gemacht haben. Serienkiller sind unersättliche Monster. Der Drang zu foltern, zu vergewaltigen und zu töten ist übermächtig. Sie müssen dem Opfer ihre Dominanz zeigen. Und dann dem nächsten. Und wieder dem nächsten. Sie können nicht aufhören, selbst wenn sie wollten, weil ihre Befriedigung nur von kurzer Dauer ist.“
Er sah sie so eindringlich an, als wollte er sagen: „Das weißt du doch ganz genau. Es steht alles im Lehrbuch“, sprach es aber nicht aus, weil sie nicht alleine waren. Vermutlich fragte er sich, ob ihr die persönliche Bedrohung durch den Killer die klare Sicht auf die Dinge vernebelte. Damit hatte er sogar recht. Sie fühlte sich hilflos und auch ein wenig mutlos, weil die Ermittlungen nicht weiterkamen. Der Killer führte das FTPD vor. Er machte sich lustig über die Cops, denn er tat, was er wollte, erlaubte sich keine Schnitzer, bis auf die persönlichen Details, die er ihr bei ihrem Gespräch am Seeufer zwischen den Zeilen mitgeteilt hatte. Ansonsten fanden sie nur das, was sie finden sollten. Ausgenommen waren ein paar Hundehaare, die auch an ihre Fleecejacke geraten sein konnten, als Storm einkaufen gewesen war. Außerdem wuchs eine Angst in ihr, seit sie das Büro des Commissioners verlassen hatte, die sie sich erst jetzt eingestand. Wenn der Wachsmörder Gil tötete, schreckte er wahrscheinlich auch nicht davor zurück, ihre Eltern zu ermorden.
Storm erschrak, als die Tür aufgerissen wurde. Auch Malcolm und Patterson drehten sich um.
„Ich bin es nur“, sagte Benhurst und hob entschuldigend beide Arme hoch. Er wedelte mit einem Packen Papier herum. „Die Versicherung hat uns endlich die Personalakte von Neville Jordan gefaxt.“ Seine Wangen bekamen einen rosigen Teint.
„Wird uns nichts mehr nützen“, brummte Patterson. Er holte eine Kaugummipackung aus seiner Hosentasche und hielt sie in die Runde. Zimt. Alle lehnten dankend ab. Er selbst nahm einen Kaugummistreifen heraus und steckte die Packung zurück in seine Tasche.
Storm erwähnte nicht, dass Benhurst die Akte hätte anfordern sollen, als Jordan noch in Polizeigewahrsam war, denn sie wollte ihn vor den Kollegen nicht in eine peinliche Situation bringen. Alle hatten viel um die Ohren. Auch behielt sie für sich, dass es sich bei der verbrannten Leiche nicht um den Vertreter handelte. Sondern um Gilbert Pinewood. Ihren Exfreund. Sie konnte es immer noch nicht glauben. Am Abend würde sie zu ihren Eltern fahren und es ihnen erzählen müssen. Kein schöner Anlass, sie zu besuchen.
„Danke, Ben“, sagte sie und nahm die Ausdrucke
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