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Opfere dich

Opfere dich

Titel: Opfere dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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liebsten hätte sie sich die Ohren zugehalten, denn die Zurufe hörten nicht auf. Mittlerweile war auch die Presse aufgerückt. Sie hatte sich nur zurückgehalten, damit sie Storms Reaktion auf die religiöse Gruppierung auf Film festhalten konnten. Nun blitzten wieder die Fotoapparate, und die Linsen der Filmkameras waren auf Storm gerichtet. Leider regnete es nicht mehr, so dass Storm sich nicht mehr so einfach unter ihrer Kapuze verstecken konnte.
    Die ersten Meter ging sie aufrecht und in normalem Tempo weiter, sie hielt sich tapfer, als würde ihr der Rummel um ihre Person nichts ausmachen. Doch je näher sie der Haustür kam, desto schneller wurden ihre Schritte. Ihr Puls beschleunigte sich. Sie hatte ein Gefühl, als würde die geifernde Menge sie erdrücken. Die letzten Meter lief sie. Drehte sich nicht mehr um, nicht einmal, um Malcolm zuzuwinken. Ihre Hände zitterten. Sie schloss hastig die Tür auf. Rasch betrat sie ihr Heim, schlug die Tür zu und lehnte sich von innen dagegen. Was für ein Spießrutenlauf! Es war, als wäre die Welt da draußen verrückt geworden.
    „Moon?“, rief Storm. Sie hatte nicht ernsthaft damit gerechnet, dass das Kätzchen sie begrüßen würde. Dafür war ihre Beziehung noch zu jung. Aber eines Tages würde Moon zur Begrüßung maunzen, ihr um die Beine streichen und ihr das Gefühl geben, dass jemand den ganzen Tag sehnsüchtig auf sie gewartet hatte. Auf diesen Augenblick freute sich Storm sehr.
    Das Telefon klingelte. Storm zog ihren Parka und ihr Pistolenholster aus und warf beides auf den Schuhschrank, der neben der Garderobe stand. Mittlerweile hatte sie eine Geheimnummer, die nur eine Handvoll Personen besaßen. Sie eilte zum Telefon. Es lag in der Küche.
    Während sie sich meldete, nahm sie eine Zigarette auf der Packung und zündete sie an. „Storm Harper“, sagte sie mit dem Glimmstängel im Mundwinkel.
    „Die Kleine ist süß.“
    Storm erkannte seine Stimme sofort. Sie hatte gedacht, sie würde den Klang mit der Zeit vergessen, doch die Gänsehaut, die sie automatisch bekam, bestätigte ihre Befürchtungen. Es war der Wachsmörder. „Woher haben Sie meine Nummer?“
    „Von deinen Eltern. Sie hatten sie auf dem Notizblock aufgeschrieben, der neben ihrem Telefon liegt. Es war nicht sonderlich schwer, deine Geheimnummer in ihrem Haus zu finden“, erzählte er im Plauderton, und seine Stimme troff vor Genugtuung. „Bei der Gelegenheit habe ich mir deine Kinderfotos angesehen.“
    „Ich war keine süße Kleine“, zischte sie. Teresa hatte sie immer in Kleidchen stecken wollen, doch Storm hatte sich meist nach fünf Minuten schmutzig gemacht. Sie war ein Wildfang gewesen und hatte lieber mit den Jungs gerangelt, anstatt Teeparty zu spielen. Manchmal fragte sie sich, ob Teresa es jemals bereut hatte, sie adoptiert zu haben, denn Storm war nicht das Kind, das sie sich erhofft hatte.
    „Dich meine auch nicht damit, als ich sagte: ,Die Kleine ist süß.‘ Sondern dein Kätzchen.“
    Sie erschrak. Die Zigarette fiel ihr aus dem Mund auf den Boden. Rasch trat Storm sie aus, doch es war zu spät. Die Glut hatte sich bereits in den Teppich gefressen und ein Brandloch, so groß wie ein Centstück, hinterlassen.
    „Moon?“, rief sie und ging ins Wohnzimmer. Sie schaute unter die Heizung, hinter das Kissen auf dem Sessel und an all den anderen Lieblingsschlafplätzen, doch Moon war nicht in diesem Raum. Aufgewühlt lief sie ins Schlafzimmer und ließ sich auf die Knie fallen, aber unter dem Bett kauerte die Katze auch nicht.
    Plötzlich hörte sie ein klägliches Maunzen. Aber es kam nicht aus dem Haus. Sondern aus dem Telefonhörer. „Du Schwein!“, schrie Storm aus voller Kehle.
    „Na, na, vergiss deine gute Erziehung nicht“, tadelte er sie oberlehrerhaft.
    Das machte Storm noch rasender. „Lassen Sie Moon in Ruhe! Sie ist nur ein Kätzchen und hat mit all dem nichts zu tun.“
    „Hatte Megan Cropps etwas damit zu tun? Oder Cheryl Port?“, fragte er und beantwortete seine Frage selbst. „Nein, am Anfang noch nicht, aber irgendwann habe ich sie zu mir geholt, um mit ihnen zu spielen. Genauso wie nun Moon.“
    Storms Augen wurden feucht. Sie hockte auf dem Boden und kämpfte mit ihren Tränen. Wut wurde abgelöst von Traurigkeit, Hilflosigkeit und Verzweiflung. Sie wusste, dass der Wachsmörder kein Mitleid mit der kleinen Katze haben würde. Er war unfähig, sich in andere hineinzuversetzen, und besaß kein Schuldbewusstsein. Wie alle

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