Opfere dich
wenn Sie sich opfern“, sagte Chenoa und stellte die Holzschüssel energisch ab. „Die Polizei würde sich lediglich lächerlich machen. Die Menschen würden ihre Kapitulation als Zeichen von Schwäche deuten und den Respekt vor den Cops endgültig verlieren. Wer weiß, auf welche Idee der nächste Verbrecher käme.“
Storm nickte. Das Ansehen des PD war ohnehin schon angekratzt, weil sie den Serienkiller immer noch nicht gefasst hatten. Die Bewohner von Fort Twistdale hatten aufgrund der vielen Kriminalserien, die den Markt überschwemmten, ein falsches Bild von der Verbrecherjagd und dachten, die Realität wäre ebenso einfach wie im Film oder Roman. Aber das war sie nicht. Beileibe nicht.
In einem Krimi hätte bestimmt allein schon das Kerzenwachs den Täter überführt. Die Detectives hätten herausgefunden, dass die Kerze aus einem außergewöhnlichen Wachsgemisch besteht. Selbstverständlich gäbe es diese exklusiven Kerzen nur in einem einzigen Geschäft zu kaufen, in dem die Cops erfahren hätten, dass es einen Großabnehmer gab, den sie wenig später als den Wachs-Killer überführt hätten. In Wahrheit benutzte der echte Wachsmörder stinknormale Haushaltskerzen, wie sie in jedem Supermarkt angeboten wurden. Er kaufte sie mal hier und mal dort und bezahlte immer in bar, um nicht aufzufallen. Pech gehabt, dachte Storm.
„Diejenigen, die meckern und hetzen, schreien immer am lautesten, als müssten sie ihre Frustration in die Welt hinausrufen. So ist das immer. Das ist mit ein Grund, weshalb ich nicht fernsehe und Zeitung lese. Dort wird nur von schlechten Dingen berichtet. Die vernünftigen Menschen, und das sind zum Glück die meisten, haben nicht das Bedürfnis, ihre Meinung jedem kundzutun. Glauben Sie mir, die schweigende Mehrheit steht hinter Ihnen.“ Chenoa wischte sich die Handflächen an ihrer Jeans ab und begann die Hundebrötchen aus der Schüssel auf ein Tablett in der Auslage zu schichten. „Jetzt habe ich genug dazu gesagt. Was wollen Sie eigentlich hier?“
Diese Frau war Storm äußerst sympathisch. Sie lächelte das erste Mal seit Tagen aufrichtig und breit. „Wir möchten Ihnen die Fotos einiger Frauen zeigen und Sie fragen, ob die eine oder andere Kundin von Ihnen ist.“
Malcolm holte das erste DIN-A4-Foto heraus und legte es auf den Tresen. Es war eine Aufnahme von Megan Cropps. Alle, die sie an diesem Vormittag aufgesucht hatten, hatten Megan wiedererkannt, weil ihr Foto aktuell in den Medien war, während die ersten Opfer meist nur noch mit Namen erwähnt wurden, als wäre man bereits dabei, sie zu vergessen. Aber daran lag es nicht. Es hing mit dem Foltervideo zusammen. Megans ängstliches Gesicht hatte sich in die Erinnerung vieler Menschen gebrannt und würde so schnell nicht vergessen werden.
„Das ist eins der Opfer“, sagte Chenoa, „und Sie werden mir weitere zeigen, nicht wahr?“
„Wir suchen nach Gemeinsamkeiten“, bestätigte er, ohne zu viel zu verraten.
Sie zuckte entschuldigend mit den Achseln. „Tut mir leid. Ich habe das Foto der Frau auf dem Titelblatt der Iona County News gesehen, als ich am Kiosk unten an der Ecke vorbeispazierte, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie jemals hier gewesen war.“
„Und wie sieht es mit dieser Lady aus?“, fragte er und zog ein weiteres großformatiges Bild aus dem Umschlag.
Eifrig nickte Chenoa, auch beim dritten und vierten Foto. Sie erkannte die ersten beiden Opfer des Wachsmörders und Cheryl Port wieder. Die Gesichter von Megan Cropps und Carol Frost sagten ihr jedoch nichts.
„Drei aus fünf, das reicht nicht“, sagte Storm und fuhr sich enttäuscht durch ihre Haare.
In diesem Moment fiel ihr Blick auf einen Aufsteller, der auf dem Fensterbrett stand. Er war klein, man konnte ihn leicht übersehen, aber er war von beiden Seiten bedruckt, so dass man sowohl lesen konnte, was darauf stand, wenn man auf der Straße vorbeiging, als auch, wenn man im Geschäft stand. „Tierkrematorium – Informationen im Laden“. Storm nahm den obersten Flyer von einem Stapel, der neben dem Aufsteller auf der Fensterbank lag. Darin wurde das Krematorium beworben und detailliert erklärt, was im Preis einer Tierbestattung enthalten war. Namen und Adresse des Krematoriums waren weiter unten angegeben.
Storm tippte mit dem Zeigefinger auf den Werbezettel. „Es gibt Feuerbestattungen für Tiere?“ Das war ihr neu. Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus.
Chenoa nickte lächelnd. „Die Bäckerei
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