Opfere dich
„unterstützen den Wachsmörder passiv. Denken Sie mal darüber nach, ob Sie nicht genauso schuldig sind wie er.“
16.
Storm eilte zur Kasse, legte einige Münzen auf das Transportband, weil alle Kassiererinnen noch bei ihrem Vorgesetzten standen, und verließ die Shopping Mall. Alleine. Die Medienvertreter blieben zurück, um Aufnahmen von Decker und McLarsen mit Dusty Hill zu machen. Möglicherweise auch, weil sie alle von Storms Vortrag peinlich berührt waren. Storm jedoch hegte wenig Hoffnung, dass die Medien die passive Mittäterschaft in den morgigen Ausgaben zum Thema machen würden, weil sie sich damit selbst anklagten, aber vielleicht … Die Hoffnung starb zuletzt.
Es schüttete wie aus Kübeln. Durch die Regenwolken war der Abendhimmel stockfinster. Storm lief, so schnell sie konnte, über den Parkplatz, sprang in ihren Wagen und warf Pizza und Katzendrops auf den Beifahrersitz. Wasser tropfte aus ihren Haaren und lief über ihre Stirn. Sie wischte sich mit der flachen Hand durchs Gesicht.
„Was für ein Mistwetter, nicht wahr?“
Erschrocken flog Storm herum. „Manning!“ Er saß grinsend auf dem Rücksitz. Beinahe hätte sie losgelacht, weil er einen Nasenverband trug. Seine Wangen waren grün und blau verfärbt und seine Augen leicht geschwollen. Storm hatte ihm wirklich gut zugesetzt. Doch da war etwas in seinem Blick, das sie an ein Raubtier erinnerte. Deshalb verkniff sie sich ihr Lachen. Ein zweites Mal an diesem Abend wünschte sie sich, ihre Springfield mitgenommen zu haben.
„Amüsiert dich mein Aussehen?“, fragte er und bleckte für einen Moment seine Zähne. „Du trägst deine Haare wie ein Kerl, kleidest dich wie ein Kerl und schlägst zu wie einer.“
„Ist heute Tag des Duzens? Wahren Sie Ihre Haltung, Special Agent!“ Storm wusste, dass das Duzen bei ihm ebenso wie bei Dusty Hill ein Zeichen von mangelndem Respekt sein sollte.
„Aber kannst du auch einstecken wie ein Kerl?“ Plötzlich tauchte eine grobgliedrige Kette in seiner Hand auf. Er schlang sie blitzschnell um Storms Hals und zog daran, so dass ihr Hinterkopf gegen die Kopfstütze knallte. „Ich bin kein Agent mehr. Das FBI hat mich gefeuert.“
Die Kette bohrte sich tiefer in ihre Haut. Storm bekam kaum noch Luft. Gleich morgen früh würde sie zu Lobster gehen und ihm sagen, dass er sich seinen Personenschutz in die Haare schmieren konnte. Sie würde von nun an ihre Waffe vierundzwanzig Stunden „am Mann“ tragen.
„Du bist schuld, dass ich meinen Job verloren habe. Nicht einmal als Wachmann kann ich mich mehr bewerben, weil mein Ruf dahin ist“, brummte er und ließ die Kette lockerer.
Storm atmete erleichtert durch. Trotzdem hatte sie Mühe zu sprechen. „Das ist Ihr eigenes Verdienst. Ich bin nicht die Erste –“
Manning spannte die Kette wieder. „Ihr Weiber seid alle gleich. Macht uns schöne Augen und wenn ihr uns weichgekocht habt, verweigert ihr uns den Zugriff. Aber ich habe eure Spielchen satt. Nicht mehr mit mir!“
Verzweifelt versuchte sie ihre Finger unter die Kette zu schieben, schaffte es jedoch nicht. Sie hegte wenig Hoffnung, dass man ihren Kampf bemerken würde, denn der Parkplatz war verwaist. In den Abendstunden fuhren nur noch wenige Einwohner in die Shopping Mall, besonders nicht bei solch einem Wetter. Und selbst wenn, dann sprinteten sie durch den Regen in das Einkaufscenter und wieder zurück zu ihrem Auto, ohne rechts und links zu schauen. Wer konnte es ihnen verübeln? Storm war auch nicht aufgefallen, dass ein Mann auf dem Rücksitz ihres Wagens kauerte und ihr auflauerte.
Was war das nur für ein Abend! Ein Fiasko folgte dem nächsten – und der Wachsmörder hatte nicht einmal unmittelbar seine Finger im Spiel. Er hätte zu allem Übel noch gefehlt. Aber vielleicht saß er ja gerade hinter ihr und würgte sie. Sie sah bereits Lichter vor ihren Augen tanzen, kleine Blitze, die eine Ohnmacht ankündigten. Doch bevor sie das Bewusstsein verlor, lockerte Manning die Kette um ihren Hals. Storm röchelte. Sie hustete und japste. Luft strömte in ihre Lungen, die sich nur langsam entkrampften.
„Meine Nase muss gerichtet werden. Von selbst wächst sie nicht wieder gerade an“, zischte er von hinten in ihr Ohr. Sie konnte seinen Atem riechen. Er stank nach Bourbon. „Du hast sie mir gebrochen – du zahlst die OP. Hast du verstanden?“
Ihre Stimme kratzte. Sie hatte Mühe zu sprechen. „Du kannst mich mal“, sagte sie und schlug mit dem Hinterkopf gegen seine
Weitere Kostenlose Bücher