Opfere dich
umhüllte ihre Schädeldecke und spannte sich über Augen und Ohren.
Plötzlich schauderte Storm, denn sie roch etwas. Sie hielt ihre rechte Hand direkt unter ihre Nase. Vanilleduft. Ihre Alarmglocken schrillten, während ihr Liebhaber in einen schnellen Rhythmus verfiel. Storm nahm auf einmal die kalte glatte Oberfläche des Bettes wahr, auf dem sie lag. Nein, kein Bett. Es war eine Liege. Ihr war eiskalt. Panik kroch ihren Nacken hoch. Sie brach Stück für Stück das getrocknete Kerzenwachs ab, bis sie schließlich die Wachskappe vom Kopf reißen konnte, und schrie und schrie und schrie.
Entsetzt riss Storm ihre Augen auf. Sie lag in ihrem Bett und war schweißgebadet. Ihr Schlafshirt klebte an ihrem Körper. Sie bibberte. Das Schlafzimmerfenster stand offen. Kalter Wind wehte ins Zimmer. Schlotternd wickelte sie die Bettdecke um ihren Körper und ging zum Fenster. Auch ihre Schenkel waren feucht. Wütend warf sie das Fenster zu. „Es war nur ein Traum. Ein verdammter Traum!“
Hoffentlich hatten die Nachbarn ihre Schreie nicht gehört. Sie schnappte sich ihre Waffe, die neuerdings immer auf dem Nachttisch lag, eilte ins Badezimmer und sprang unter die Dusche. Als das heiße Wasser über ihren Körper lief, fühlte sie sich schon ein wenig besser. Sie lehnte sich mit der Stirn gegen die gekachelte Wand und kämpfte gegen die Tränen an. Die Aufzeichnung von Megan Cropps’ Folterung und ihrem Missbrauch verfolgte sie, sogar bis in ihre Träume hinein. Obwohl sie sich nichts anmerken ließ, brodelte es in ihr. Es gärte und zerrte an ihren Nerven. Und sie schämte sich. Storm nahm die Brause und duschte ihre Oberschenkel ab.
Zum Frühstück gönnte sie sich nur eine schnelle Zigarette und eine Tasse Kaffee, denn sie musste schnellstmöglich das Haus verlassen. Sie sehnte sich nach Arbeit, viel Arbeit, mit der sie sich ablenken und betäuben konnte.
Als sie zu ihrem Wagen ging, staunte sie nicht schlecht. Bis auf zwei Fotoreporter waren alle Journalisten verschwunden. Die beiden schossen lustlos ein paar wenige Fotos von ihr und stiegen dann in ihre Autos, um ihr zu folgen. Vielleicht hatte das, was im Supermarkt am Abend zuvor geschehen war, doch etwas bewirkt. Oder die Medien begannen das Interesse zu verlieren, weil sie nicht durchdrehte?
Storm fühlte sich befreit. Kaum Presse. Kein Personenschutz, denn Decker und McLarsen hatte sie auf eigene Verantwortung bereits in der gestrigen Nacht weggeschickt. Hätte sie dieser Alptraum nicht heimgesucht, wäre sie zufrieden gewesen.
Während sie zum Police Department fuhr, fragte sie sich, ob die letzten Opfer gewusst hatten, was auf sie zukam. Hatten Megan Cropps und Carol Frost, bevor sie entführt wurden, von den Greueltaten des Psychopathen in den Medien gehört? Hatten sie über die Folterungen gelesen? Wussten sie, dass sie vergewaltigt werden würden, immer und immer wieder? Wie zehrend muss die Panik in ihnen gewesen sein, als sie auf dem Seziertisch aufgewacht waren? Und wie groß Megans Verzweiflung, als sie die Kerze in der Hand des Wachsmörders gesehen hatte?
Zur Hölle mit ihm, dachte Storm. Sie kannte jedes Detail seiner Taten, wusste über alle Qualen seiner Opfer Bescheid und hatte die geschundenen Leichen der Frauen gesehen. Allein dieses Insiderwissen genügte, um sich ihm nicht auszuliefern – dessen musste er sich doch bewusst sein.
Aber er wollte sie manipulieren, sie um den Verstand bringen und in eine Zwickmühle manövrieren, um sie aus der Distanz heraus zu quälen. Damit war er erfolgreich. Es gab nur einen Ausweg aus dieser Situation: Eine Figur musste entfernt werden, damit das Spiel endlich ein Ende hatte: entweder der Killer oder Storm. Einer von beiden würde auf der Strecke bleiben.
Storm war gerade auf dem Revier angekommen, füllte frische Bohnen in die Kaffeemaschine ein und hatte sich soeben ein Herz gefasst, um Malcolm, der mit ihr zusammen das Büro betreten hatte, auf Lucille anzusprechen, als Patterson in der Tür stand.
Er wirkte aufgeregt und kratzte seinen Bart mit dem oberen Ende eines Bleistifts. „Hab was gefunden.“
„Schieß los“, forderte Malcolm ihn auf, während er seine Jacke über die Rückenlehne seines Bürostuhls hängte.
„Ich habe noch einmal mit michiganmailing.com gesprochen“, verkündete Bobby und hielt einen Notizblock hoch. Sein Gesicht strahlte triumphierend. „Sie speichern die IP-Adressen ihrer User.“
„Also auch Jackals IP-Adresse.“ Malcolm nickte zufrieden und knickte den
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