Opfere dich
lauten Knall. Die Glasscheibe der Terrassentür zerbrach klirrend. Storm schrak zusammen und taumelte instinktiv zurück. Eine Windböe wehte kalte Luft und Regen ins Wohnzimmer. Binnen kurzer Zeit bildeten sich kleine Pfützen auf dem Wohnzimmerteppich.
Storm stellte die Bierdose weg. Während sie sich fröstelnd die Oberarme rieb, schaute sie unter den Couchtisch. Tatsächlich, dort lag ein faustgroßer Stein. Er war mit einem Stück Papier umwickelt, das wiederum in einer Klarsichtfolie steckte.
Bestürzt spähte Storm in die Nacht hinaus, sah aber niemanden. Sie ging auf die Knie und kroch unter den niedrigen Tisch, um an den Stein zu kommen. Rasch wickelte sie das Papier ab. „Opfere dich“ stand in blutroten Lettern darauf. War das eine Botschaft des Wachsmörders? Wollte Darragh Priest ihr mitteilen, dass er nicht klein beigab, obwohl das FTPD seine Identität gelüftet hatte?
Auf einmal flog etwas vom Garten ins Zimmer herein. Doch diesmal war es kein Stein. Das Objekt kam auf dem Sofa auf und zerbrach. Flüssigkeit verteilte sich auf der Couch, sie fing augenblicklich an zu brennen.
Ein Molotowcocktail! Storms Puls beschleunigte sich. Beim Aufprall war das Glas zerbrochen, Brandbeschleuniger hatte sich entzündet. Die Flammen sprangen schnell auf das Sofa über. Der Poststapel, in dem sich auch die Einladungen von Oprah Winfrey und Jay Leno befanden, brannte lichterloh. Storm hatte sowieso nicht vorgehabt, sie anzunehmen. Nie im Leben wäre sie in eine Talkshow gegangen. Um ihre Couch tat es ihr viel mehr leid.
Panisch kroch sie unter dem Tisch hervor. Das Sofa war schön, aber jetzt wünschte sie sich, mehr Geld investiert zu haben, denn der billige Stoff brannte schnell und gut. Binnen Sekunden stand sie komplett in Flammen. Storm spürte die Hitze im Gesicht. Als das Feuer auf den Teppich, der unter der Sitzkombination lag, übersprang, verfluchte sie das Bier, das sie getrunken hatte. Der Alkohol lähmte ihre Gedanken und ihre Glieder.
Sie rannte an der brennenden Couch vorbei, den Gang entlang ins Schlafzimmer, wo der tragbare Pulver-Feuerlöscher stand. Jasper hatte ihr geraten, ihn zentral im Haus aufzuhängen, aber sie war stur geblieben und hatte ihn neben ihrem Bett anbringen wollen. Im Schlaf von Feuer überrascht zu werden war ihre größte Sorge. Mit einem Molotowcocktail-Angriff hätte sie niemals gerechnet. Wollte der Killer sie ausräuchern und dann zuschnappen? Oder ihr nach Gil und Moon ein weiteres Stück ihres Lebens rauben, indem er ihr Haus niederbrannte, um sie weiter in die Verzweiflung zu drängen?
„Das wirst du nicht schaffen“, schrie Storm aufgebracht. Sie nahm den Feuerlöscher und eilte zurück ins Wohnzimmer. Sofort musste sie husten. Die giftigen Dämpfe, die von den Möbeln freigesetzt wurden, brannten auf ihren Schleimhäuten und in ihren Augen. Der Rauch zog nur langsam durch die kaputte Terrassentür ab. Dafür nährte die Frischluft von draußen das Feuer zusätzlich.
Mittlerweile stand auch der Sessel in Flammen. Storm musste sich beeilen. Ihr war bewusst, wie gering ihre Chance war, aber sie musste diesem Scheißkerl die Stirn bieten. Sie entsicherte den Feuerlöscher und zielte mit der Öffnung auf die Couch, die ihr am nächsten war, und wusste, dass sie das Löschpulver stoßweise abgeben musste, weil es sich besser auf den Brandherd legte und ansonsten der Feuerlöscher binnen Sekunden leer wäre.
Doch es tat sich nichts.
Sie versuchte es immer wieder, aber der Auslösehebel ließ sich nicht herunterdrücken. Konnte Darragh Priest den Feuerlöscher manipuliert haben? Dann fiel ihr ein, dass sie den Feuerlöscher alle zwei Jahre hätte warten lassen müssen. Aber sie hatte ihn kurz nach dem Einzug gekauft – und seitdem nicht mehr angeschaut. Hauptsache, er war da. Das war ein beruhigendes Gefühl gewesen. Ein Trugschluss, wie sich jetzt herausstellte, denn er funktionierte nicht.
Sie hörte Sirenen, sie kamen rasch näher. Jemand musste die Feuerwehr alarmiert haben. „Das hättest du als Erstes tun müssen. Aber nein, du musstest ja versuchen, den Brand selbst zu löschen, um Darragh zu zeigen, dass du dich nicht einschüchtern lässt“, schimpfte sie laut.
Wütend auf Darragh, vor allem auf sich selbst und auf die Firmen, die leicht entflammbare Stoffe für ihre Möbel benutzten, nahm sie ihren Parka und ihre Waffe und rannte aus dem Haus. Die Feuerwehr kam ihr bereits entgegen. Storm wies sie ein und warf den Feuerlöscher in ihren Vorgarten.
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