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unfähig hält, die Firma zu leiten, weil er ein Waschlappen sei.“ Katie tat betroffen. „Und das, obwohl ich dabei war.“
Abigail nahm ihrer Tochter die Zigarette aus der Hand, die schon weit heruntergebrannt war, aschte für sie ab und gab sie ihr zurück. „Sie hat ihn immer klein und unselbstständig gehalten. Das hat sich gerächt. Als er am Zug war, hat er viel Geld in Limousinen investiert, denn er wollte sie nicht nur verleihen, sondern zusätzlich verkaufen. Seine Idee, in großem Stil zu expandieren, schlug fehl. Er fand keine Käufer, und der Betrieb ging den Bach runter, da er in Vorkasse getreten war.“
„Darragh musste im Sommer vorletzten Jahres alles verkaufen, um wenigstens sein Elternhaus behalten zu können“, fügte Katie hinzu. „Er hatte mit dem Vermögen seiner Mutter gebürgt.“
Storm dachte über das nach, was sie soeben gehört hatte. Er hatte unter Erfolgsdruck gestanden, war ein zu großes Risiko eingegangen – und gescheitert. Es war etwas an der chronologischen Entwicklung, das sie beunruhigte. Vor zwei Jahren erkrankte seine Mutter. Ein halbes Jahr später setzte er die Firma in den Sand. Zum gleichen Zeitpunkt begann der Wachsmörder mit seinem tödlichen Spiel. Konnte das alles in einem Zusammenhang stehen? Der Misserfolg konnte Darragh dazu getrieben haben, sich abzureagieren, indem er Frauen folterte, vergewaltigte und tötete, die seiner Mutter ähnelten. Aber das entscheidende Puzzleteil fehlte immer noch – der endgültige Beweis, dass er der Killer war.
Storm drückte ihre Lucky Strike im Aschenbecher aus. „Hätte Darragh auch den Betrieb übernommen, wenn Philomena Priest nicht erkrankt wäre?“
„Erst nach ihrem Tod“, schoss es aus Abigail heraus, doch dann revidierte sie: „Sie hätte so lange weitergemacht, bis sie nicht mehr gekonnt hätte. Der Fall ist dann ja auch eingetreten.“
Eine Frage durchkreuzte Storms Gedanken. Konnte es sein, dass Darragh die Krankheit seiner Mutter ausgelöst hatte, um endlich das Geschäft übernehmen zu können und ihr bei Lebzeiten zu beweisen, dass er genauso erfolgreich sein konnte wie sie? Offensichtlich verband die beiden eine Hassliebe. Storm schickte eine SMS an Patterson mit der Anweisung, Philomena auf Fremdeinwirkung untersuchen zu lassen. Telefonisch wollte sie das in Anwesenheit der Sherford-Frauen keinesfalls tun, weil die Buschtrommeln es sonst durch ganz Fort Twistdale getragen hätten.
„Weshalb hat ihre Beziehung mit Darragh Priest nie lange gehalten?“, fragte sie geradeheraus und empfand eine gewisse Befriedigung, als Katie errötete.
Katie blickte kurz zu ihrer Mutter. In diesem Moment wirkte sie wie ein Teenager. „Es hat nicht gepasst“, antwortete sie ausweichend.
Damit gab sich Storm nicht zufrieden. „Wieso nicht? Ich benötige genauere Informationen.“
Katie vermied es, Benhurst anzuschauen. „Könnten wir das Gespräch bitte unter vier Augen weiterführen?“
Storm war ehrlich erstaunt. Sie nickte und folgte Katie, die noch rasch ihre Caprice ausdrückte, in das Lesezimmer. Die Wände waren mit Bücherregalen gesäumt. Zwei Ledersessel und eine Couch standen vor einem Kamin. Schwere rote Samtvorhänge hingen an den Fenstern. Draußen goss es noch immer wie aus Kübeln, aber anders als im Wintergarten bekam man in diesem Raum wenig davon mit. Allerdings war es recht kühl, da der Kamin nicht an war. Eine Heizung sah Storm nirgends.
Sie lehnte sich mit dem Gesäß gegen die Fensterbank und verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. „Ist etwas zwischen Ihnen und Darragh vorgefallen?“
„Ich möchte nicht, dass irgendjemand davon erfährt. Mir ist die ganze Sache peinlich“, begann Katie zaghaft. „Ich hatte immer das Gefühl, Darragh nicht zu genügen. Er hat mich dazu gedrängt, mir meine Haare abzuschneiden und zu färben.“
„Blond?“
„Er kam eines Tages mit einem scheußlich hellen Färbemittel an, das ich keinesfalls benutzen wollte. Wir hatten unseren ersten heftigen Streit. Und er trennte sich von mir. Ich habe es kaum ohne ihn ausgehalten.“ Es war ihr sichtlich peinlich, über ihre emotionale Abhängigkeit zu sprechen. „Um ihm meine Liebe zu beweisen, habe ich mir eine Kurzhaarfrisur schneiden lassen. Eine kurze Zeit gab er sich damit zufrieden. Er meinte, meine Haare wären zwar nicht blond genug für seinen Geschmack, aber immerhin rotblond.“
„Der Frieden dauerte jedoch nicht lange“, mutmaßte Storm.
Katie wischte sich einige Haarsträhnen aus
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