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Der Regen durchnässte ihre Kleidung. Sie flüchtete sich unter den Regenschirm von Martha Brewster, die am Zaun stand und das Geschehen beobachtete.
„Ich habe die Feuerwehr angerufen“, verkündete Ms. Brewster stolz. Orangeroter Lippenstift klebte an ihrem rechten Vorderzahn. „Was ist denn passiert?“
Storm wollte sie nicht ins Bild setzen. Weil der Anschlag zu einer laufenden Ermittlung gehörte. Und weil ihre Nachbarin aufdringlich neugierig war. Deshalb log sie: „Mein Herd ist defekt. Plötzlich hat er gebrannt.“ Sie zuckte unschuldig mit den Achseln.
„Sie kochen?“ Ms. Brewster hob ihre Augenbrauen. Dann beugte sie sich vor und spähte ins Haus hinein. „Im Wohnzimmer?“
Storm entschuldigte sich und flüchtete in ihren Wagen. Ihr fiel ein schwarzer Van mit getönten Scheiben auf, der ein Stück weiter die Straße hinauf stand. Bestimmt saß ein Kameramann im Heck und hielt die Szene fest, um sie an den Sender, der am meisten bot, zu verkaufen.
Sie rief Malcolm an und berichtete ihm, was vorgefallen war.
„Du bleibst unter keinen Umständen heute Nacht in deinem Haus, das wäre erstens zu unsicher und zweitens gesundheitsgefährdend“, sagte er mit einer Schärfe, die ihr neu war. „Zieh zu deinen Eltern. Sie haben eine Alarmanlage.“
Und sechs Feuerlöscher, die regelmäßig gewartet werden, fügte sie in Gedanken hinzu. Ihr Vater war darin sehr pedantisch. Ein Seufzer kam tief aus ihrem Inneren. „Einverstanden.“
„Einverstanden? Einfach so? Ich muss dich nicht überreden?“ Er lachte.
„Ich bin müde“, antwortete sie und dachte an das Budweiser, das ihr die nötige Bettschwere hatte geben sollen. Der Schrecken, der einen Adrenalinschub ausgelöst hatte, schien jeglichen Alkohol in ihrem Körper abgebaut zu haben. „Ich will nur noch schlafen.“
„Dann fahr heim.“
„Ich dachte, da wäre ich bereits.“
Eine Stunde später saß sie in eine Wolldecke gekuschelt auf dem Ledersessel im Wohnzimmer ihrer Eltern. Ihre Kleidung stank nach Rauch. Teresa hatte ihr einen schwarzen Tee mit Rum zubereitet und zwang ihre Tochter nun, ihn zu trinken. Sie saß neben Jasper auf der Couch und beobachtete, wie Storm an dem Heißgetränk nippte. Der erwärmte Alkohol ließ eine gewisse Gleichgültigkeit in Storm aufkommen. Die Anspannung fiel von ihr ab. Sie hätte auf der Stelle auf dem Sessel einschlafen können, aber ihre Eltern wollten haargenau wissen, was vorgefallen war.
„Das Wohnzimmer ist komplett ausgebrannt“, erzählte sie schläfrig, „die Terrassentür notdürftig mit Folie abgeklebt.“
„Aber das ist eine Einladung für Diebe“, entrüstete sich Jasper.
Storm beruhigte ihn: „Malcolm schickt eine Streife vorbei. Sie gucken regelmäßig nach dem Rechten.“ Bei ihr gab es sowieso nicht viel zu holen. Den Laptop hatte sie noch rasch aus dem Haus geholt, bevor sie zu ihren Eltern gefahren war. Alles andere war ersetzbar.
„Und ihr seid sicher, dass Darragh Priest der Wachsmörder ist?“ Teresa schüttelte den Kopf. „Ich kann mir das gar nicht vorstellen.“
Storm nahm einen großen Schluck, der heiß ihre Kehle hinunterfloss. „Wieso? Kennst du ihn?“, fragte sie mehr ironisch.
„Nicht nur ich, auch du“, antwortete ihre Mutter triumphierend.
Storm verbrannte sich ihre Zungenspitze am Tee und verzog das Gesicht. „Ich?“
„Vielleicht erinnerst du dich nicht“, begann Teresa zu erzählen. „Es war auf einem Barbecue bei den Blooms, die ebenfalls am Ufer des Lake Michigan wohnen. Damals warst du gerade zwölf geworden, glaube ich. Philomena Priest war mit ihrem Sohn dort, wahrscheinlich weil sie keinen Mann hatte und nicht alleine aufkreuzen wollte.“
Liebevoll streichelte Jasper den Nacken seiner Frau. „Deine Mutter dachte, sie hätte den Schritt in die High Society gemacht, weil sie zwei Worte mit Mrs. Priest wechselte, aber die Stinkreichen bleiben unter sich. Selbst unsereins kann da nicht mithalten.“
„Darragh“, erinnerte Storm ihre Mom. Er musste zu diesem Zeitpunkt ungefähr zwanzig gewesen sein.
Teresa rümpfte die Nase und schob die Hand ihres Mannes weg. „Er trug einen Armani-Anzug und war der wohlerzogenste junge Mann, den ich jemals gesehen habe. Schon ein richtiger Gentleman, der meist schwieg und nur antwortete, wenn man ihn ansprach. Wie er sich ausdrückte! Sehr eloquent.“
„Deine Mutter träumte sogar davon, euch beide zu verkuppeln“, sagte Jasper lächelnd. „aber du hast Darragh keines Blickes gewürdigt.
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