Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
Revolution und der Russischen Revolution. Wir waren Studenten im besten Sinne des Wortes: Wir studierten das Buch. Da hatten sich vier gefunden. Richard und ich, die glaubten, was sie da lasen. Emil, der das auch glaubte und überlegte, wie es uns nützen konnte. Und Till, der es glaubte, weil es ihm einen Platz unter den Herrschern hinter den Herrschern sichern konnte.«
Margots Druck auf der Blase stieg. »Herr Kaufmann, ich habe ein Problem.«
»Philipp. Hier unten sind wir wohl Philipp und Margot. Sollten wir jemals wieder lebend draußen sein, dann können wir wieder Herr Kaufmann und Frau Hauptkommissarin Hesgart sein.«
»Philipp – ich muss mal.«
Das Lachen war laut, kurz und bitter. »Hinter mir ist ein Eimer. Mein Klo. Jetzt unser Klo. Ich erlaube Ihnen hiermit großmütig, diese edle Stätte menschlicher Notdurft mit mir zu teilen.«
Der Würgereiz stellte sich wieder ein.
»Der Eimer anstatt der nackten Erde – das ist die einzige Würde, die ich mir in den – was sagten Sie, neun? – neun Tagen bewahrt habe.«
Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Geht doch, dachte Margot.
Sie kroch auf allen vieren in Richtung der Stimme von Philipp Kaufmann. Berührte seinen Schuh.
»Jetzt aufrichten und an mir vorbei. Dann vorsichtig weiter. Da kommt dann gleich der Eimer. Vorsichtig. Er ist nicht nur erst halb voll, sondern auch schon halb voll, falls Sie verstehen.«
Horndeich hatte einen sichtbar frustrierten Nick am Hotel abgesetzt.
»Danke, Steffen«, hatte er nur gesagt. Horndeich war gleich weiter nach Hause gefahren. Dann hatte er Doro in den Wagen gepackt. Und war nun wieder in Richtung Komponistenviertel unterwegs. Ost-West-Transfer – hier bekam der Begriff eine ganz neue Bedeutung.
»Hattet ihr einen schönen Abend?«, fragte Doro.
»Ja. War klasse. Wenn man Feuerwerk mag.«
»Stefanie plappert jetzt ohne Punkt und Komma«, meinte Doro.
Klar, dachte Horndeich, das Konzept von Sätzen und Nebensätzen ist ihr auch noch nicht geläufig. Aber er spürte, dass Doro etwas ganz anderes damit sagen wollte.
»Ich mag das nicht mehr mit dem Babysitten«, sagte sie nur.
Horndeich nickte.
»Ich weiß, das kommt jetzt ein bisschen plötzlich. Aber ich habe etwas gelernt. Ich muss sagen, was ich will und was ich nicht will.«
»Alles okay, Doro.«
»Nein, es ist nicht alles okay.«
»Doch, ist es. Ich bin dir dankbar, dass du dich um Stefanie gekümmert hast. Wenn es nicht mehr geht, dann ist das okay. Wir werden jemanden finden, vielleicht machen es auch Sandras Eltern und freuen sich. Es ist alles gut.«
Horndeich sah, wie Doro sich eine Träne aus den Augen wischte.
»Hey, lass gut sein, Doro. Im Moment scheinen irgendwie alle etwas durch den Wind zu sein. Da müssen wir uns doch nicht noch mehr Stress machen, oder?«
»Schön, dass ihr nicht nach München geht«, sagte Doro nur.
Es war Horndeich nicht klar gewesen, dass auch Doro daran gelegen war, dass ihre kleine Leihfamilie nicht ins bajuwarische Exil ging. Und es war Horndeich auch nicht klar gewesen, dass Sandra mit Doro über so was sprach.
Wenige Minuten später fuhren sie vor Margots Haus vor. Horndeich hielt den Wagen an. »Danke dir, Doro. Für alles.«
»Passt schon.«
Horndeich grinste. So ganz konnte das junge Fräulein Becker ihre Ziehmutter nicht verleugnen.
Das Gartentörchen öffnete sich. Aber von der falschen Seite aus. Aus dem Garten trat – Nick. Den hatte er doch vorhin am Hotel abgesetzt, oder?
»Hallo, Steffen«, sagte er.
Margot hatte ihre Notdurft verrichtet. Sie war sofort wieder in ihre Ecke der Grube zurückgekrochen. Immer wieder erstaunlich, wie die ganz archaischen Reviermechanismen griffen, wenn man sich außerhalb der gewohnten Zivilisation befand.
»Was passierte nach der Lektüre von Des Griffin?«
»Oh, das war keine Sache von Tagen. Das war eine Sache von Monaten. Irgendwie gelang es Till, noch mehr solcher Bücher zu organisieren. Und bald waren wir davon überzeugt, dass wir die Zeichen der Weltverschwörung entdeckt hatten. Es gab einen Fensterbogen, der warf genau um 12.12 Uhr einen Schatten, der wie ein Pentagramm aussah. Und das allsehende Auge als Zeichen der Illuminaten und der Freimaurer, das war auch an vielen Stellen zu finden, wenn man genau hinsah. Es war also klar, dass auch dieses Internat dazu da war, die Verschwörung zu vertuschen. Oder sie zu leben. Darüber stritten wir heftig. Klar war nur: Wir wussten Bescheid. Wir waren die Erleuchteten.«
»Wuttke erzählte von Ihrem
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