Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
nicht in der Haut eines Richters stecken, der ein Urteil sprechen musste und dabei so sehr an die Rahmen der Gesetze gebunden war.
»Nun, die Katze lässt das Mausen nicht. Und Till soff weiter. In dem führerscheinlosen Jahr fuhr er Taxi. Dabei hätte er bleiben sollen. Kaum wieder im Wagen, baute er den nächsten Unfall. Betrunken. Aber er konnte abhauen. Ich weiß das nur, weil Richard es mir erzählt hat. Und der weiß es nur, weil Sacher mit im Wagen saß, ins Lenkrad gegriffen und so das Schlimmste verhindert hat. Aber Till trat sofort wieder aufs Gas. Es war nur Sachschaden, der Wagen war lädiert. Aber die Polizei kam ihm nicht auf die Spur.«
Anke Wölzer stand auf. »Ich brauche jetzt einen Cognac. Sie auch?«
Margot lehnte ab.
»Ich habe Urlaub im Moment. Deshalb bin ich heute zu Hause. Die Mädchen sind bei einer Freundin.« Anke Wölzer ging zu einer Hausbar. Gut sortiert, nahm Margot wahr.
»Wie heißen Ihre Töchter?«
»Maria und Yvonne. Sie sind sieben und neun.«
»Wo arbeiten Sie?«
»Ich bin Bibliothekarin. Arbeite in der Stadtbücherei. Ein schöner Beruf, aber schlecht bezahlt. Vielleicht ist es sogar ganz gut, dass der Vermieter die Fenster nicht macht, dann kann er auch die Miete nicht erhöhen. Für eine Alleinerziehende mit zwei Kindern ist das ganz schön teuer. Und Richards Geld habe ich ja nun auch nicht mehr.«
Mit einem Cognacschwenker in der einen und einer Flasche in der anderen kam Anke Wölzer zurück. Sie schenkte sich ein Glas ein, hob es, prostete Margot zu. Dann fuhr sie mit ihrer Erzählung fort: »Dann kam der 4. Februar 2002. Richard war bei Till in Hamburg. Der hatte ihm am Telefon den Mund wässrig gemacht, er würde ihm ein großes Projekt zuschanzen. Richard sollte das neue Firmengebäude der Reederei entwerfen. De facto hieß das für Richard: nach Hamburg fahren und eine Sauftour mit Till absolvieren. Dabei würden sie über das neue Gebäude sprechen, Richard würde Skizzen malen, auf die Till seinen Korn sabbern würde. Richard wollte nie begreifen, dass Till sich für Architektur genauso wenig interessierte wie für Volkstanz. Er war zu der Zeit wahrscheinlich einfach einsam, wie so oft in den Phasen kurz vor der Trennung von einer seiner Freundinnen. Also rief er Richard zu sich, er wusste ja, wie er ihn ködern konnte.
Nach der Zechtour fuhr Till. Er konnte richtig aggressiv werden, wenn man ihm den Autoschlüssel wegnehmen wollte. Der Wagen rauschte auf den Bürgersteig, unmittelbar vor einer Kneipe. Und bügelte einen Mann um, der gerade aus der Kneipe kam.
Till war von einem auf den anderen Moment stocknüchtern. Blaffte Richard an, er solle sich ans Steuer setzen. Er, Till, würde alles bezahlen. Dann ist er weggerannt.
Richard tat, wie ihm geheißen. Ich weiß nicht, ob es blinder Gehorsam war oder ob er Till richtig eingeschätzt hat. Auf jeden Fall wurde Richard der Prozess gemacht. Da der Mann überlebt hatte und Richard über sein Handy sogar selbst den Rettungsdienst angerufen hatte, wusste er, dass auch er mit Bewährung davonkommen würde.«
»Das Urteil war ein Jahr mit einem Jahr Bewährung.«
»Richtig. Und Till wäre stattdessen auf direktem Weg ins Gefängnis gegangen …«
»Und was hat Ihr Mann dafür von Hansen bekommen?«
»Till hat die Schulden beglichen, die Richard gemacht hat, um sich selbstständig zu machen. Dabei ging es um etwa fünfzehntausend Euro. Und dann hat er den Dauerauftrag eingerichtet. Also den Beratungsauftrag. Wahrscheinlich hat Till das so gedreht, dass er bei den zweieinhalbtausend im Monat mindestens die Hälfte an Steuern sparen konnte. Was weiß ich. Nun, jetzt ist Hansen tot, und das Geld ist weg.«
»War Ihr Mann als Architekt erfolgreich?«
Anke Wölzer lachte auf. »Er war ein Künstler. Er hatte tolle Ideen, hat kühne Entwürfe gemacht. Ich glaube, als Kulissenarchitekt für Science-Fiction-Filme – da hätte er richtig Geld verdienen können. Nein, sein Beratervertrag und mein Job – das hat uns ernährt. Er hat angefangen, Gitarre zu spielen. In mehreren Jazzcombos.«
Sie deutete auf drei Gitarren, die auf Ständern in der anderen Ecke des Raumes standen. Eine Konzertgitarre und zwei Halbresonanzgitarren mit flacherem gewölbtem Korpus, eine davon aus Metall.
»Ich habe mich noch nicht dazu entschließen können, sie wegzugeben. Richard war gut – wenn man für diese Art Musik etwas übrig hat. Aber Geld hat das auch nicht eingebracht. Es war eher so, dass die Auftritte höchstens die
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