Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
das verbindende Element in diesen Fällen. Und Philipp Kaufmann, der Vierte im Bunde, ist verschwunden. Wir möchten, dass der Mörder von Hansen und Sacher gefunden wird und der, der alle nach ihrem Tod noch gedemütigt hat.«
Horndeich musste nicht weitersprechen, er war sicher, dass Fichter über die Umstände von Sachers Tod informiert war. Doch der Alte Herr sagte nichts.
»Ich weiß von dem Eklat im Juli 2006. Da gab es einen Konflikt. Und der Ehrenrat wurde angerufen. Ich muss wissen, was da passiert ist.«
Fichter seufzte. »Ich kann Ihnen nicht viel sagen.«
Horndeich wollte schon einen Einwand vorbringen, doch Fichter sah ihn direkt an und hob die Hand. »Nicht, weil ich Ihnen nicht helfen will, sondern weil ich Ihnen nicht viel sagen kann, weil damals nicht viel gesprochen wurde.«
»Wie darf ich das verstehen?«
»Wie ich es Ihnen sage. Der Ausschuss besteht aus drei gewählten Personen. Er setzt sich immer aus zwei Alten Herren zusammen, die nicht mehr im Berufsleben stehen, und einer Person, die auch aus der Aktivitas stammen kann. Nun, bei uns war der Dritte auch ein Alter Herr, aber einer von den jüngeren. Die Namen tun nichts zur Sache.
Der Ausschuss tagte im Conventszimmer, in dem Sie heute mit Ralf Ritter gesprochen haben. Wir vom Ehrenrat saßen damals am einen Ende des Tisches, die vier auf der anderen Seite: Till und Philipp uns gegenüber an der Stirnseite des Tisches, neben ihnen, jeweils an der Längsseite, Emil und Richard. Wir forderten zunächst Till auf, uns den Sachverhalt aus seiner Perspektive zu berichten, er hatte ja eine Persönliche Contrahage gefordert. Doch Till schwieg. Wir fragten Philipp – er hatte schließlich den Ehrenrat angerufen. Aber auch er sagte nichts. Es war ziemlich seltsam. Richard wollte etwas sagen, doch ein Blick von Till brachte ihn zum Schweigen. Und auch Emil sagte nichts. So saßen wir für drei Minuten schweigend am Tisch. Zwischen den vieren wurden nur Gesten und Blicke ausgetauscht. Und das war’s. Ich bin ein geduldiger Mensch, aber das war einfach nur ein großes Theater. Ich setzte gerade dazu an, laut zu werden, an die Ehre zu appellieren, daran, dass ein Ehrenrat kein Kindergarten ist, als Philipp aufstand und auf Till hinabsah. Er bat um das Wort. Ich gewährte es ihm. Er sagte nur zu Till: ›Es ist besser, du gehst. Aus diesem Raum, aus diesem Haus, aus unserem Leben. Oder ich sehe mich gezwungen zu reden.‹«
Fichter machte eine Pause.
»Was hat er damit gemeint?«
»Das habe ich ihn in den vergangenen Jahren mindestens viermal gefragt. Auch Emil und Richard habe ich gefragt. Aber keiner hat etwas gesagt.«
»Und Till Hansen?«
»Till Hansen stand auf, nachdem Philipp sich wieder gesetzt hatte. Dann ging er zu der Wand, an der die Bilder hängen. Er nahm das seine ab, warf es auf den Boden, trat darauf. Dann sagte er: ›Okay, du Arschloch. Ich bin kein Ludovice mehr.‹ Dann verließ er das Haus. Und seitdem hat ihn keiner mehr hier in Darmstadt gesehen. Wenn einer der Bundesbrüder ihn anrief – und das waren einige –, dann ließ er sich verleugnen oder er legte einfach auf, sobald er erkannte, dass einer der unseren dran war.«
Fichter trank einen Schluck Kaffee. Sagte nichts.
»Gehe ich recht in der Annahme, dass solch ein Verhalten nicht häufig vorkommt?«
»So etwas kommt nie vor. Ich hätte es überhaupt nicht für möglich gehalten! Niemals. Ich verstehe es bis heute nicht, und ich werde es niemals verstehen.«
Als Horndeich wenig später am Tisch im Präsidium saß, berichtete ihm Margot über das, was sie erfahren hatte. »Das alles würde ja unterm Strich Sinn ergeben: Die vier fahren nach Heidelberg – warum auch immer –, lassen dort die Sau raus. Die Burschis sind ja hart im Nehmen. Lassen sich volllaufen und krallen sich dann die Bedienung auf dem Hof.«
»Drei, wie gesagt.«
»Okay. Und einer kommt dann dazu und beendet den Spuk. Vielleicht Wölzer? Der scheint mir noch der Zartfühlendste zu sein.«
»Aber was war das dann zwischen Philipp Kaufmann und Till Hansen?«
»Keine Ahnung.«
Ein Piepton verkündete eine E-Mail an Margot. Sie sah kurz in Richtung Bildschirm. »Ah, Fischer meldet sich.«
Margot rollte vor die Tastatur, griff zur Maus, klickte. »Er hat uns das Phantombild zugeschickt.«
Margot öffnete die entsprechende Datei. Sah auf den Bildschirm. Dann auf die weiße Tafel. Wieder auf den Monitor. »Treffer?«, fragte sie.
Horndeich trat hinter sie. Auch sein Blick wechselte kurz
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