Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
kleinen Gang, der zum Hinterhof führt. Petra Schöffer hatte gerade eine Abfalltüte nach hinten getragen, kam vom Hof zurück, als die drei gleichzeitig aus dem Toilettenraum traten. Es ging alles rasend schnell.
Zwei haben sie gepackt, die Nummer drei hat ihr den Mund zugehalten. Sie haben einen der Container zur Seite geschoben, sie von hinten an die Mauer gepresst, ihr mit den Füßen die Beine gespreizt. Zwei haben sie festgehalten, einer hat ihr das Kleid und den Slip zerrissen. Kurz vor dem gänzlichen Vollzug der Tat kam jemand auf den Hinterhof. Er schrie ›Stopp‹. Da haben die anderen von ihr abgelassen. Petra Schöffer drehte sich um, konnte aber nicht viel sehen. Der ganze Hof wird nur von einer einzigen Glühbirne beleuchtet – wenn man da von leuchten sprechen kann. Sie hat den einen für einen Moment gesehen, er stand so, dass ein paar Lichtstrahlen sein Gesicht erhellten. Das ist der, von dem ich euch das Phantombild geschickt habe.«
»Ja. Das könnte Philipp Kaufmann sein. Aber ganz sicher ist das nicht.«
»Und niemand sonst war in dem Hinterhof? Niemand ist da rausgegangen? Mal eine rauchen oder so? Bietet sich doch an, wenn da auch die Klos sind.«
»Nein. Das lag daran, dass gerade das Fußballspiel lief. Im Raum waren drei Bildschirme aufgehängt, die Bude war rappelvoll. Und alle haben sich auf das Spiel konzentriert – ganz besonders, da die Elfenbeinküste eine Minute zuvor den Anschlusstreffer erzielt hatte. Es stand 2 : 1 für Argentinien, und es waren keine zehn Minuten mehr zu spielen. Hätte die Elfenbeinküste aufgeholt, wär’s in die Verlängerung gegangen. Alle hingen gebannt an den Bildschirmen.«
»Und wie war das jetzt genau mit diesen Bändern, die das Opfer gesehen hat?«
»Als die drei sie schnappten, da hat sie nicht in die Gesichter geschaut, aber sie hat an allen dreien ein grünes Band gesehen, das sie um den Oberkörper trugen, über eine Schulter gelegt wie eine Schärpe, an der anderen Seite auf der Hüfte mit irgendeiner Medaille oder Ähnlichem verbunden. Wir haben auf Studentenverbindung getippt, aber damit sind wir nicht weitergekommen.«
»Tragen alle Verbindungsbrüder solche Bänder?«
»Nein, aber die meisten. In Heidelberg gibt es vierunddreißig Verbindungen. Eine davon ist eine reine Frauenkorporation.«
»So was gibt es auch?«
»Ja. Statt Burschis Mädlis.«
Horndeich verstand die Welt nicht mehr. »Fechten die auch?«
»Die Heidelberger nicht. Meines Wissens gibt es in Leipzig eine Damenverbindung, bei der fakultativ geschlagen wird. Das heißt …«
»… man muss es lernen, aber man muss nicht mit scharfen Waffen eine Mensur fechten.« Horndeich hatte seine Nachhilfe ja inzwischen gehabt.
»Sie können keine Mensur fechten, denn es ist in Deutschland die einzige Damenverbindung, die ficht. Und gegen Männer wollen sie nicht. Wobei ich nicht weiß, ob das die Männer oder die Damen nicht wollen.«
»Bleiben dreiunddreißig Verbindungen«, kam Margot wieder auf den Punkt.
»Ja. Und von denen tragen neun Verbindungen die Farbe Grün im Band. Aber es gibt keine, die ein rein grünes Band hat. Wir haben die alle aufgesucht – aber Fehlanzeige.«
Horndeich lenkte wieder auf die ursprünglichen Fragen zurück. »Gibt es Belege dafür, dass Petra Schöffer die Wahrheit gesagt hat?«
»Was? Bezüglich des Angriffs? Nun, als ihre Kollegin sich wunderte, wo Petra Schöffer blieb – sie dachte, sie würde heimlich eine rauchen, und das, wo der Laden so was von voll war –, ist sie raus auf den Hof gegangen. Da saß Petra dann mit zerrissenen Klamotten heulend auf dem Boden.«
Fischer kramte in der Kiste und holte noch einen Umschlag heraus. Wieder legte er Bilder auf den Schreibtisch.
»Die wurden gemacht, nachdem die Kollegin Silke Feuerbach das Opfer ins Krankenhaus gefahren hat.«
Die Bilder zeigten, dass da jemand mit viel Gewalt zugegriffen hatte: dunkle Hämatome an beiden Oberarmen, ebenso am Oberschenkel. Schürfwunden im Gesicht und am Oberkörper.
»Die haben sie wie im Schraubstock gehalten. Und Gesicht und Brust an die Mauer gepresst. Sommer, heißes Wetter – das dünne Kleid bot nicht so viel Schutz wie eine Kevlar-Weste …«
»Gut«, sagte Horndeich sachlich, »dann ist das geklärt.«
Margot dachte, dass die Frage, die Horndeich gestellt hatte, nicht wirklich von Feingefühl zeugte. Aber definitiv vom Drang herauszufinden, was wirklich passiert war.
»Gibt es in der Kneipe eine Überwachungskamera?«
»Ja. Eine.
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