Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
Die ist auf den Tresen gerichtet, sodass niemand unbemerkt in die Kasse greifen kann. Das hat unser Quartett aber auch nicht getan.«
»Hat Petra Schöffer damals gesagt, dass der, den sie für das Phantombild beschrieben hat, der war, der versucht hat, sie zu vergewaltigen?«
»Nein. Sie hat ihn erst gesehen, nachdem der vierte Mann durch den Hinterausgang auf den Hof gekommen war. Sie konnte weder sagen, ob er der Vergewaltiger gewesen war oder einer von denen, die sie festgehalten hatten, noch, ob es der gewesen war, der der Sache ein Ende bereitet hat. Die vier sind sofort über den Hofeingang abgehauen.«
Wieder das Geräusch des ploppenden Kronenkorkens aus Margots Handy. »Sorry«, meinte sie. Sie griff nach dem Telefon und sah aufs Display. Wieder eine SMS von Rainer. Kurz überlegte sie, das Handy einfach zurückzulegen. Aber dann würde sie sich nicht mehr konzentrieren können und die ganze Zeit darüber nachdenken, was er wohl geschrieben hatte. Sie las: Margot, ich meine es ernst. Wir müssen reden!!!
Wieder stach die kleine Nervensäge im Magen zu. Margot legte das Handy auf den Tisch, dann wandte sie sich wieder den beiden Männern zu und versuchte, sich zu konzentrieren. Horndeich warf ihr einen fragenden Blick zu. Aber sie reagierte nicht darauf. Meinte zumindest, nicht darauf zu reagieren.
»Gab es noch andere Zeugen?«
»Ja. Wir haben zwei junge Männer ausfindig gemacht, die das Quartett auch gesehen haben. Die haben sich aber auch nur an die Bänder erinnert. Und dass sie keine Mützen trugen.«
»Mützen? Im Juni?« Das verstand Horndeich nicht.
»Ja, die Mützen und die Bänder gehören zusammen. An den Mützen ist normalerweise eine Borte in den gleichen Farben.«
»Und die nimmt man im Sommer nicht ab?«
»Nicht, wenn man in offizieller Montur ausgeht«, erwiderte Fischer. Er hatte sich wohl auch schon intensiver mit den Gebräuchen und Sitten der Farben tragenden Verbindungen auseinandergesetzt.
»Also auch keine Phantombilder?«
»Nein. Als wir die beiden jungen Männer getrennt vernommen haben, konnten sie nicht mal eindeutig sagen, wie viele es waren oder ob welche von ihnen Bärte hatten oder nicht. Die waren auch nicht mehr nüchtern gewesen. Unsere vier auch nicht. Die unbezahlte Rechnung war nicht ohne: jeder fünf große Bier und etliche Kurze.«
»Haben Sie die Adresse von Petra Schöffer?«
»Nein. Ich habe mir die Akte vor vier Jahren noch mal vorgenommen. Aber da wohnte sie schon nicht mehr unter der angegebenen Adresse. War auch nicht dort gemeldet. Und unter der Adresse, die in ihrem Perso stand, lebte sie auch nicht mehr.«
»Handynummer?«
»Nein. War eine Prepaidkarte.«
»Irgendein Ansatz, wie wir sie finden könnten?«
»Nein. Der Name Schöffer ist nun auch nicht gerade selten in Deutschland.«
Dennoch ließ sich Margot die Adresse geben, unter der Petra Schöffer seinerzeit offiziell gemeldet gewesen war. Es war eine Adresse aus Lindau.
Am frühen Abend hatte Margot ihren Singlestatus durch den Kauf der entsprechenden Kaffeemaschine unterstrichen. Nespresso hieß das Zauberwort, jede Tasse eine eigene, stets frische Portion Kaffee in den unterschiedlichsten Varianten. Der Gipfel des Individualismus. Passte ja jetzt perfekt. Also hatte sie sich auch gleich fünf verschiedene Geschmacksrichtungen mitgenommen. Mal sehen, ob sie Präferenzen entwickeln würde.
Mal sehen, ob ihr Magen ihr den Kaffee gönnen würde.
Tat er nicht. Er krampfte.
Sie versuchte, ein Brot zu essen.
Es wollte wieder heraus.
Sie versuchte fernzusehen. Ebenfalls Fehlanzeige.
Obwohl sie todmüde war, konnte sie vor der Glotze nicht abschalten. Sie hatte eine Flasche Wein geöffnet. Ein Glas getrunken.
Der Wein fühlte sich ebenso wenig wohl in ihrem Körper wie zuvor das Käsebrot.
Sie trank einen Tee. Saß am Esstisch. Und ohne dass sie es verhindern konnte, fielen Tränen auf das Holz der Tischplatte. Kein Sturzbach. Eher die Kategorie »undichter Wasserhahn«.
Sie stand auf, überlegte, ob sie ins Bett gehen sollte. Doch in ihrem Inneren stand alles auf Sturm.
Es war eine spontane Eingebung, sich ins Auto zu setzen und in Richtung Bessunger Forst zu fahren. Margot stellte den Wagen auf dem Parkplatz ab, dort, wo sie bereits vor einer Woche geparkt hatten, als sie den Neuen Hexen einen Besuch abgestattet hatten.
Sie ging zu Fuß zu dem Ort, dem ihre Stieftochter magische Energien zusprach. Margot war ein viel zu rationaler Mensch, als dass sie diesem Unfug auch nur
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