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Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Muskulatur wurde trotzdem gekräftigt. Auch die kürzlich wiedergewonnene Kontrolle über die rechte Hand ging vermutlich darauf zurück. Nach dem Unfall hatte er nur den linken Ringfinger benutzen können.
    Seine Fitness war inzwischen besser als vor der Verletzung.
    All dies erzählte er ihr, und er konnte ihr ansehen, dass sie ihn verstand.
    »Ich würde Sie ja zum Armdrücken herausfordern, aber…«, scherzte sie.
    Rhyme musste herzlich lachen.
    Dann wurde Susans Miene ernst. Sie vergewisserte sich, dass niemand sonst sie hören konnte, und sah Rhyme in die Augen. »Lincoln, glauben Sie an Schicksal?«

… Dreiundfünfzig
    Unter Behinderten herrscht eine gewisse Kameradschaft.
    Bei manchen Patienten geht sie eher in Richtung Mannschaftsgeist. Es heißt: Wir gegen Die . Legt euch ja nicht mit uns an. Andere sind mehr auf Harmonie bedacht: He, falls du je eine Schulter zum Ausweinen brauchst, bin ich für dich da. Wir sitzen alle im selben Boot, mein Freund.
    Lincoln Rhyme hatte für keines von beiden Zeit. Er war ein Kriminalist, dessen Körper nun mal leider nicht so funktionierte, wie er sich das gewünscht hätte. So wie Amelia Sachs eine Polizistin mit Arthritis und einem Faible für schnelle Autos und Schusswaffen war.
    Rhyme definierte sich nicht durch seine Behinderung. Sie war lediglich ein Teil von ihm. Auch Krüppel konnten freundlich, geistreich oder unerträgliche Nervensägen sein. Rhyme beurteilte jeden für sich, genau wie jeden Nichtbehinderten.
    Er hielt Susan Stringer für eine absolut angenehme Person und respektierte, dass sie die Courage gehabt hatte, zu ihm zu kommen, anstatt sich auf ihr Trauma zu berufen und einfach nach Hause zu fahren, um ihre Rauchvergiftung auszukurieren. Doch außer einer Rückenmarksverletzung hatten sie nichts gemeinsam, und Rhyme war in Gedanken längst wieder beim Fall Galt. Er nahm an, dass Susan schon bald enttäuscht sein würde, weil der ach so berühmte gelähmte Kriminalist keine Zeit für sie hatte. Und ganz sicher niemand war, mit dem man über das Schicksal plaudern konnte.

    »Nein«, antwortete er. »Jedenfalls nicht in dem Sinn, den Sie wahrscheinlich meinen.«
    »Ich meine vermeintliche Zufälle, die in Wahrheit vorherbestimmt gewesen sind.«
    »Dann nein«, bestätigte er.
    »Das habe ich auch nicht vermutet.« Sie lächelte. »Aber die gute Nachricht für Leute wie Sie ist, dass es Leute wie mich gibt, die durchaus an Schicksal glauben. Ich bin überzeugt, es gibt einen Grund dafür, dass ich in diesem Aufzug gefahren bin und nun hier sitze.« Aus dem Lächeln wurde ein Lachen. »Keine Angst. Ich bin keine Stalkerin.« Sie senkte die Stimme. »Ich will auch keine milde Gabe von Ihnen … oder Ihren Körper. Ich bin glücklich verheiratet, und ich kann sehen, dass Sie und Detective Sachs ein Paar sind. Darum geht es nicht. Es geht einzig und allein um Sie.«
    Er würde gleich … nun ja, er war sich nicht sicher, was er gleich tun würde. Er wollte einfach, dass sie verschwand, wusste aber nicht so recht, wie er das anstellen sollte. Also hob er neugierig — und vorsichtig — eine Augenbraue.
    »Haben Sie schon mal vom Pembroke-Rückenmarkszentrum drüben an der Lexington gehört?«, fragte sie.
    »Kann sein. Ich bin mir nicht sicher.« Er erhielt ständig irgendwelche Informationen über Reha-Maßnahmen, Produkte und neue Forschungsansätze für Querschnittsgelähmte. Mittlerweile achtete er kaum noch darauf. Seine Arbeit für FBI und NYPD ließ ihm kaum Zeit für außerplanmäßige Lektüre, geschweige denn für Reisen quer durchs ganze Land, um neue Behandlungsformen auszuprobieren.
    »Ich habe dort schon an mehreren Programmen teilgenommen«, sagte Susan. »Genau wie einige Mitglieder meiner Selbsthilfegruppe. «
    Eine Selbsthilfegruppe. Rhyme seufzte innerlich auf. Er wusste, was nun kommen würde.

    Doch sie war ihm erneut einen Schritt voraus. »Ich will Sie nicht bitten, sich uns anzuschließen, keine Sorge. Sie kommen mir nicht wie ein geeignetes Mitglied vor.« Die Augen in dem herzförmigen Gesicht funkelten humorvoll. »Egal in welchem Verein.«
    »Stimmt.«
    »Ich möchte Sie heute Abend nur darum bitten, dass Sie mich anhören.«
    »Das lässt sich machen.«
    »Also, Pembroke ist der Inbegriff eines Rückenmarkszentrums. Dort wird alles gemacht, was Sie sich vorstellen können.«
    Es gab viele aussichtsreiche Verfahren, um Leuten mit schweren Behinderungen das Leben zu erleichtern. Das Problem war die Finanzierung. Obwohl die

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