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Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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erneut um elektrische Fische. Diejenigen, die im Meer lebten, waren parallel verschaltet und erzeugten niedrigere Spannungen, weil Salzwasser besser leitete als Süßwasser, sodass der Stromstoß nicht so stark sein musste, um die Beute zu erlegen. Die elektrischen Fische der Flüsse und Seen hingegen waren mit einer Reihenschaltung ausgestattet und gaben eine höhere Spannung ab, um die schlechtere Leitfähigkeit des Süßwassers auszugleichen.
    Dieser Umstand war für den Mann nicht nur faszinierend, sondern im Moment auch relevant – für seinen Test der Leitfähigkeit des Wassers. Er fragte sich, ob seine Berechnungen wohl stimmten.
    Nach nur zehn Minuten hörte er Schritte. Einer der Schwimmer, ein Mittsechziger mit schütterem Haar, kam in ledernen Badelatschen an ihm vorbei und betrat die Dusche.
    Der Mann im Overall hielt die Tür einen Spalt offen und verfolgte, wie der Schwimmer den Hahn aufdrehte und unter das dampfende Wasser trat, ohne den Beobachter zu registrieren.
    Drei Minuten, fünf. Der ältere Mann seifte sich ein, wusch sich …
    Der Mann im Overall wurde ungeduldig, denn es bestand immerhin
das Risiko, dass man ihn entdeckte. Er nahm die Fernbedienung, die wie die moderne Funkentriegelung eines Autos aussah. Seine Schultermuskeln spannten sich an.
    Torpor . Er lachte leise in sich hinein. Und entspannte sich.
    Schließlich kam der Mann unter der Dusche hervor und trocknete sich ab. Er zog seinen Bademantel an, schlüpfte wieder in die Schuhe, ging zur Tür des Umkleideraums und legte die Hand auf den Knauf.
    Der Mann im Overall drückte auf seiner Fernbedienung zwei Knöpfe gleichzeitig.
    Der ältere Mann keuchte auf und erstarrte.
    Dann wich er zurück und musterte den Türgriff. Schaute auf seine Finger und tippte den Knauf ein weiteres Mal an.
    Was natürlich dämlich war. Man ist niemals schneller als elektrischer Strom.
    Doch diesmal gab es keinen Schlag, und der Mann konnte sich nun fragen, ob er sich irgendwie an dem Metall wehgetan oder in seiner Hand vielleicht sogar einen schmerzhaften Arthritisschub verspürt hatte.
    Die Stromstärke der Falle hatte lediglich einige Milliampere betragen. Der Mann im Overall war nicht hier, um jemanden zu töten. Dies war einfach nur ein Experiment, mit dem er zwei Dinge überprüfen wollte. Erstens: Würde die von ihm entworfene Fernbedienung auf diese Distanz funktionieren, durch Beton und Stahl hindurch? Das hatte sehr gut geklappt. Und zweitens: Wie genau wirkte das Wasser sich auf die spezifische Leitfähigkeit aus? Die Sicherheitsbeauftragten der Industrie redeten und schrieben ständig darüber, aber es hatte noch nie jemand praktikable Werte ermittelt. Mit »praktikabel« war gemeint: Wie wenig Strom benötigte man, um bei jemandem, der feuchte Lederschuhe trug, ein tödliches Kammerflimmern zu bewirken?
    Die Antwort lautete: Verdammt wenig.

    Gut.
    Ich hab totale Angst …
    Der Mann im Overall ging die Treppe nach unten und zur Hintertür hinaus.
    Dabei dachte er abermals über Fische und Elektrizität nach. Diesmal jedoch nicht über die Erzeugung, sondern über die Wahrnehmung von Strom. Insbesondere bei Haien. Sie besaßen buchstäblich einen sechsten Sinn: die außergewöhnliche Fähigkeit, die bioelektrischen Vorgänge im Organismus ihrer Beute über Meilen hinweg zu spüren, lange bevor sie sie sehen konnten.
    Der Mann schaute auf die Uhr und nahm an, dass die polizeiliche Untersuchung des Umspannwerks inzwischen in vollem Gang sein musste. Wer auch immer die Beamten dort waren, sie hatten das Pech, dass Menschen nicht über den sechsten Sinn eines Hais verfügten.
    Und bald würden noch zahlreiche andere Leute im armen New York City diese unglückselige Erfahrung machen.

… Sieben
    Sachs und Pulaski trugen jeweils einen babyblauen Kapuzenoverall aus Kunststoff, dazu Mundschutz, Füßlinge und Schutzbrille. Zudem hatten sie sich Gummiringe über die Schuhe gestreift, wie Rhyme ständig predigte, damit ihre Fußabdrücke sich einfacher von den anderen unterscheiden lassen würden.
    Amelia schnallte sich den Gürtel um, an dem der Funk- und Videosender sowie ihre Waffe hingen, und stieg über das gelbe Absperrband, was den Schmerz in ihren arthritischen Gelenken auflodern ließ. An feuchten Tagen oder nachdem sie einen schwierigen Tatort untersucht oder jemanden zu Fuß verfolgt hatte, standen ihre Knie oder Hüften in Flammen, und dann kam es bisweilen vor, dass sie Lincoln Rhyme insgeheim um seinen gefühllosen Körper beneidete. Sie

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