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Opferlämmer

Opferlämmer

Titel: Opferlämmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Thomas Edison in New Jersey hässliche Masten und führte die Oberleitungen ein, aber das erste Stromnetz entstand unter den Straßen von Lower Manhattan, ausgehend von einem Kraftwerk an der Pearl Street. Edison hatte insgesamt neunundfünfzig Kunden.
    Manche der Techniker hassten das unterirdische Netz – das finstere Netz, wie es bisweilen genannt wurde –, aber Joey Barzan fühlte sich hier unten pudelwohl. Er stand erst seit zwei Jahren im Dienst der Algonquin Power, war aber schon seit zehn Jahren Elektriker, seit Beginn seiner Ausbildung im Alter von achtzehn. Die ersten acht Jahre hatte er im privaten Baugewerbe gearbeitet und war dabei vom Lehrling zum Gesellen aufgestiegen. Eines Tages würde er seinen Meister machen, aber fürs Erste gefiel es ihm, bei einer großen Firma angestellt zu sein.
    Und etwas Größeres als die Algonquin Consolidated, die zu den wichtigsten Energieunternehmen des Landes zählte, ließ sich schwerlich finden.
    Vor einer halben Stunde waren er und sein Partner von ihrem vorgesetzten Störungssucher informiert worden, es habe unweit der Wall Street eine merkwürdige Spannungsschwankung in der Stromversorgung der U-Bahn gegeben. Einige der Linien verfügten über eigene Generatoren, Miniaturausgaben von Algonquins MOM, doch die Linie, die er nun ganz in der Nähe vorbeirattern hörte, wurde einzig von der Algonquin gespeist. Die Firma lieferte 27 500 Volt aus Queens an Umspannwerke entlang
des Streckenverlaufs. Dort wurde der Saft auf 625 Volt Gleichstrom heruntertransformiert und auf die dritte Schiene gelegt.
    Ein Messgerät in einem nahen Umspannwerk hatte nun vermeldet, es habe für den Bruchteil einer Sekunde einen Leistungsabfall gegeben. Nicht genug, um die Funktion der U-Bahn zu beeinträchtigen, aber ausreichend, um Besorgnis zu erregen – vor allem angesichts des gestrigen Zwischenfalls an der Bushaltestelle.
    Und zum Teufel, es steckte ein Angestellter der Algonquin dahinter. Ray Galt, ein erfahrener Störungssucher, der für einen Teil von Queens zuständig gewesen war.
    Barzan hatte Lichtbögen erlebt – wie jeder in der Branche früher oder später. Der gleißende Blitz, die Explosion und das unheimliche Summen waren ihm eine so gründliche Mahnung gewesen, dass er sich geschworen hatte, bei Strom niemals ein Risiko einzugehen. PSK-Handschuhe und -Stiefel, isolierte Werkzeughalter und während der Arbeit keinerlei Metall am Leib. Viele Leute glaubten, Strom ließe sich überlisten.
    Tja, Irrtum. Und vor ihm wegrennen konnte man auch nicht.
    Sein Partner war gerade kurz oben. Barzan suchte nach einem möglichen Auslöser der Schwankung. Es war hier kühl und menschenleer, aber nicht still. Motoren summten, und U-Bahnen ließen die Erde beben. Ja, es gefiel ihm hier zwischen den Kabeln und dem Geruch nach heißer Isolierung, Gummi und Öl. New York City war ein Schiff mit Aufbauten über der Erde und einem hohlen Rumpf darunter. Und Joey kannte alle Decks so gut wie sein Heimatviertel in der Bronx.
    Er fand keine Ursache für die Störung. Die Leitungen der Algonquin schienen alle in Ordnung zu sein. Vielleicht…
    Barzan hielt inne. Irgendwas kam ihm komisch vor.
    Was ist das?, fragte er sich. Wie alle Techniker, ob draußen oder hier im finsteren Netz, kannte er seinen Bezirk, und am
Ende des halbdunklen Schachts stimmte etwas nicht: An eine der Schaltanlagen, die das Gleissystem speisten, war ohne ersichtlichen Grund ein Kabel angeschlossen. Und statt nach unten in den Boden und weiter zu den Schienen verlief es nach oben und entlang der Tunneldecke. Es war tadellos angefügt – das Können eines Elektrikers zeigte sich anhand seiner Fähigkeit, Leitungen zu verbinden –, musste also von einem Profi stammen. Aber von wem? Und wieso?
    Barzan stand auf und wollte dem Kabel folgen.
    Da stockte ihm vor Schreck der Atem. Dort stand ein anderer Arbeiter der Algonquin. Der Mann schien noch überraschter als Barzan zu sein, hier unten jemanden anzutreffen. Joey konnte in dem schwachen Licht nicht erkennen, um wen es sich handelte.
    »Hallo.« Barzan nickte. Keiner von beiden streckte die Hand aus. Sie trugen dicke Schutzhandschuhe, die für die Arbeit an Strom führenden Leitungen geeignet waren, vorausgesetzt, der Rest der Vorsichtsmaßnahmen genügte ebenfalls den Anforderungen.
    Der andere Kerl musterte ihn ungläubig und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich habe nicht mit weiteren Kollegen gerechnet.«
    »Ich auch nicht. Haben Sie von der

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