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Opferschuld

Opferschuld

Titel: Opferschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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fuchsteufelswild damals, schämte mich. Wie konnte er das tun und abends zu meiner Mutter nach Hause kommen? Sie musste zu demselben Schluss gekommen sein, denn als mein Vater eines Abends auf einer Gemeinderatssitzung war, packte sie ihre Sachen und verschwand. Sie hat mich nicht gefragt, ob ich mitkommen will, und selbst wenn sie es getan hätte, wäre ich wohl nicht mitgegangen. Trotz all seiner Fehler war ich immer der Meinung, mehr mit meinem Vater gemein zu haben, und überhaupt war er verletzlicher als sie. Ich spürte, dass er jemanden brauchte, der sich um ihn kümmert, mehr noch als sie, und dass ich eine Verantwortung für ihn hatte. Meine Mutter konnte auf sich selbst aufpassen. Ich hatte wohl auch recht, denn schon bald danach ist sie mit einem Versicherungsvertreter zusammengezogen.Zumindest hatte sie so ein regelmäßiges Einkommen. Sie hat mich eingeladen, sie in ihrem neuen Haus irgendwo in den Randbezirken zu besuchen, aber das konnte ich nicht. Es mag ungerecht gewesen sein, aber um meines Vaters willen war ich wütend auf sie. Als ich mit der Schule fertig war, bin ich bei ihm im Kiosk eingestiegen.»
    Er hielt inne, und Vera sah, wie erschöpft er war. «Kann ich Ihnen etwas bringen lassen, Kapitän Bennett? Kaffee? Ein Glas Wasser?»
    Ihr freundlicher Ton schien ihn zu überraschen, und er schüttelte den Kopf. «Es tut mir leid, dass ich so weitschweifig bin. Wahrscheinlich ist nichts davon wichtig.»
    Vera beugte sich über den Tisch zu ihm hinüber, es sah beinahe so aus, als wollte sie seine Hand tätscheln. «Erzäh len Sie es auf Ihre Art, Herzchen. Ich höre zu.»
    «Etwa um die Zeit muss es dann gewesen sein, dass Dad sich mit Keith Mantel anfreundete. Damals war Keith ein kleiner Bauunternehmer. Er kaufte Immobilien in heruntergekommenen Gegenden der Stadt, richtete sie her und verkaufte sie weiter. Die Häuser am Strand versuchte er als Ferienhäuser zu vermieten. Man merkte, dass er hochfliegende Pläne hatte, aber Dad meinte wohl, sie würden in der gleichen Liga spielen – selbständige Geschäftsleute, die versuchen, sich im Wettbewerb mit den Großen durchzuboxen.»
    «Haben sie sich auch privat getroffen?»
    «Darum ging’s am Anfang überhaupt nur, man traf sich unter Freunden.»
    «Waren Sie auch dabei?»
    «Nicht oft. Manchmal kam Keith bei uns zu Hause vorbei. Auf der Flucht vor einer seiner Frauen, sagte er immer. Dann haben sie die ganze Nacht dagesessen und getrunken. Dad fing mit seinen Geschichten vom Lebenauf See an, und Keith mimte den bereitwilligen Zuhörer. Ich versuchte, mich da rauszuhalten. Einer musste schließlich früh aufstehen, um die Zeitungen zu sortieren, und außerdem traute ich dem Mann nicht über den Weg. Dad war im Planungsausschuss des Gemeinderats. Für mich war klar, dass Mantel nicht bloß kam, um über die guten alten Zeiten zu plaudern. Er war hinter irgendwas her.
    Dann nahm er Dad auf eine Ferienreise mit. Die Lehrerin war da schon von der Bildfläche verschwunden, und Keith organisierte die Reise zu einer Villa an der Algarve mit ein paar jungen Frauen im Schlepptau. Dad musste keinen müden Penny dafür zahlen. Er war völlig naiv. ‹Siehst du denn nicht, was du dir damit einbrockst?›, fragte ich. ‹Was meinst du, will er wohl im Gegenzug dafür haben?› Aber er wollte es nicht wahrhaben. Sie waren doch nur Freunde. So was tun Freunde nun mal. Sie teilen ihr Glück miteinander.»
    «Und was wollte Mantel im Gegenzug haben?», fragte Vera.
    «Beim ersten Mal bin ich mir nicht ganz sicher. Die Einzelheiten habe ich nie erfahren. Ich weiß nur, dass bald danach ein Bauvorhaben von Mantel durch den Ausschuss gewinkt wurde. Da ging’s um Wohnungen für Senioren, glaube ich. Betreutes Wohnen. Die Eröffnung wurde groß gefeiert, und Dad schleppte mich dahin mit. Mir war schleierhaft, wie er das mit seinem Gewissen vereinbaren konnte. Vielleicht hätten sie das Vorhaben ja ohnehin genehmigt. Aber danach wurde es immer schwieriger, sich Mantel zu widersetzen. Der große Knall kam dann mit dem Plan für den Bau eines neuen Freizeitzentrums. Mantel reichte das günstigste Angebot ein, aber seine Entwürfe waren nicht so gut wie die des mitbietenden Unternehmens. Nach dem Treffen des Ausschusses rief mein Vater ihn an, um ihmzu sagen, dass sein Entwurf nicht ausgewählt worden sei. Ich war gerade im Zimmer, als sie telefonierten. ‹Mach dir nichts draus, alter Junge. Mal gewinnt man, mal verliert man. Vielleicht klappt’s ja beim nächsten

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