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Opferschuld

Opferschuld

Titel: Opferschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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…»
    «Schauen Sie, ich war jung. In dem Alter übertreibt man eben. Ich fand es schrecklich blamabel. Die Fotos. Mantel   … Es war alles so schmutzig, so geschmacklos. Solche Geschichten hatte ich jeden Sonntag an die Idioten verkauft, die danach lechzten, und jetzt wurde ich selbstgerecht. Wenn mein Vater in einen anständigen Betrug verwickeltgewesen wäre, Insiderhandel oder so was, wäre es mir vermutlich leichter gefallen. Emma nennt mich manchmal einen Snob. Vielleicht hat sie ja recht.»
    «Dann sind Sie also auch weggelaufen.»
    «Wenn Sie so wollen, ja. Aber es war mehr als das. Ich fühlte mich wie ein ganz anderer Mensch, ich konnte von vorn anfangen und der Mensch sein, der ich wirklich sein sollte.»
    «Sie sind zur See gegangen. War das der Einfluss Ihres Vaters?»
    «Die ganzen Geschichten, die er mir erzählt hat, als ich klein war? Kann sein.»
    «Warum sind Sie nach Elvet gezogen?»
    «Emma ist von hier.»
    «Wussten Sie, dass Keith Mantel im Dorf wohnt?»
    «Als seine Tochter ums Leben kam, hat das viel Aufsehen erregt. Die Geschichte hat mir die Entscheidung, hierherzuziehen, leichter gemacht. Ich glaube nicht, dass ich sonst riskiert hätte, ihm über den Weg zu laufen. So aber wusste ich, dass er auch jemanden verloren hatte, der ihm sehr nahestand. Es war schwieriger geworden, ihn zu hassen.»
    «Hatten Sie Rachegefühle?»
    «Es tat mir nicht leid, dass sie tot war», sagte er schroff. «Aber ich hätte sie nicht umgebracht.»
    «Ach nein?»
    «Abgesehen davon», fuhr er fort, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen, «führte ich damals schon ein neues Leben. Ich glaubte selbst daran, James Bennett zu sein, nicht Jimmy Shaw. Er durfte keinen Einfluss mehr auf mein Leben haben. Und ich habe auch nicht geglaubt, dass unsere Wege sich oft kreuzen würden.»
    «Dann sind Sie also wegen Ihres Vaters nach Elvet gezogen? Um ihm ein freundliches Andenken zu bewahren.»
    «Nein!», sagte er und klang auf einmal ärgerlich. «Ich bin hierhergezogen, weil ich ein Haus gefunden habe, das mir gefällt, und um in der Nähe der Familie meiner Frau zu sein. Einen anderen Grund gibt es nicht.»
    Vera ließ es dabei bewenden. Er war ein guter Erzähler. Glaubhaft. Vielleicht war seine Geschichte sogar wahr. Sie organisierte einen Wagen, der ihn nach Hause bringen sollte. Dann begleitete sie ihn nach draußen.
    «Warum haben Sie Emma das nicht erzählt? Glauben Sie nicht, dass sie ein Recht hat, es zu wissen?»
    «Sie hat sich in James Bennett verliebt, und den hat sie auch geheiratet. Was hat sie mit diesem Fremden zu tun?»
    «Sie sollten es ihr erzählen», sagte Vera. «Sie wollen sich doch nicht in eine Lage bringen, in der Keith Mantel Sie in der Hand hat.»
    Vera hatte den Eindruck, dass James ihr zuhörte und ernsthaft über ihre Worte nachdachte, doch er gab keine Antwort.

Kapitel dreiunddreißig
    Vera und Joe fuhren zurück in ihr trostloses Hotel. Die Bar war fast leer, nur ein paar Managerinnen, die mit abgehackten, hohen Stimmen über eine Schulung für Software-Berater diskutierten, saßen noch dort. Nach ein paar Sätzen hörte Vera nicht mehr hin. Was die Frauen da sprachen, war einfach völlig unverständlich. Wie konnte das Hotel auch nur den geringsten Gewinn abwerfen?, fragte sie sich. Dann fiel ihr ein Buch von Agatha Christie ein, über ein ehrwürdiges Hotel, das sich nicht rentierte. Und das sicham Ende als Deckadresse für kriminelle Machenschaften entpuppte. Sie versuchte sich an den Titel zu erinnern, aber sie kam nicht drauf.
    Auf dem Tisch vor ihr stand ein großer Scotch. Sie starrte in die Flüssigkeit und dachte, dass das wahrscheinlich die schönste Farbe der ganzen Welt war. Sie wusste, dass sie schon genug getrunken hatte und sich nach dem Glas kein weiteres genehmigen durfte. Dieser Scotch wollte also ganz langsam getrunken werden. Sie hob das Glas an den Mund und nippte daran.
    «Was halten Sie von Bennett?», fragte Joe Ashworth. «Oder wie immer er auch heißen mag.»
    «Bennett», sagte sie. «Von Rechts wegen heißt er Bennett.»
    «Jahrelang mit einer Lüge zu leben   …»
    «War es denn eine Lüge?»
    «Er hat seiner Frau erzählt, dass seine Eltern beide tot sind. Dabei ist seine Mutter mit einem Versicherungsvertreter zusammengezogen und wohnte gleich die Straße runter. Die arme Frau hat einen Enkelsohn, von dem sie nichts weiß.»
    «Das ist kein Verbrechen», sagte Vera gelassen. «Und wir lügen doch alle.» Aber in seiner rechtschaffenen Entrüstung hörte

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