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Opferspiel: Thriller (German Edition)

Opferspiel: Thriller (German Edition)

Titel: Opferspiel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niamh O'Connor
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aufschlug.

60
    Jo erwachte mit dem Anblick von Kabeln, die in ihr Gesicht drückten, Hunderte von Strängen, verschiedene Farben. Sie versuchte, sie wegzublinzeln, aber ihre Augenlider waren wie Blei. Es war furchtbar kalt. Ihr Kopf pochte, und ihr Kiefer tat weh. Sie biss auf etwas Ähnliches wie Verbandsmull in ihrem Mund, das so fest hineingepresst war, dass die Streifen in ihre Zunge schnitten und sie Blut schmeckte. Irgendwo tropfte Wasser, und es gab einen schwachen Hall.
    Ihre letzte Erinnerung, wie sie draußen vor dem Leichenschauhaus stand und die Tür aufging, stellte sich schlagartig ein. Panik überfiel sie, und sie versuchte, gleichmäßig zu atmen, weil sie sich überdeutlich bewusst war, dass sie ihre fünf Sinne beisammenhalten musste. Da war so ein Geruch, der sie irgendwie an die Kirche erinnerte – Weihrauch? Jo spürte, wie ihr Herz wieder zu rasen begann, als sie vollständig begriff, was passiert war. Der Mörder hatte sie in seiner Gewalt, und sie wusste, zu was er fähig war. Sie wusste außerdem, dass ihr niemand helfen würde. Auf dem Revier konzentrierte sich das Team gerade auf die DNA -Spur und nahm den zweiundsechzigjährigen Verdächtigen fest. Es konnte Stunden dauern, bis sie merkten, dass sie verschwunden war, und in der Leichenhalle nach ihr suchten. Befand sie sich jetzt überhaupt dort?
    Scharf überlegen, Jo, Schlussfolgerungen ziehen. Ich liege auf dem Bauch, Arme und Beine auf dem Rücken mit Plastikschließen gefesselt.
    Sie hörte leises Atmen in der Nähe und drehte den Kopf erst auf die eine Seite, dann auf die andere. Sie lag tatsächlich auf Kabeln, auf einem Betonboden. Die Wände über ihr wölbten sich nach außen wie die eines Fasses. Mit größter Anstrengung rollte sie sich auf die Seite und blickte geradeaus – sie lag in einem Betontunnel, vielleicht zwei Meter hoch, nicht sehr viel breiter und so schwach von eingefassten Röhrenlampen an der Decke beleuchtet, dass die Sicht gleich null war. Reflexartig wollte sie ihren Kopf berühren und fühlte das Plastikseil in ihre Handgelenke schneiden. Ihr Unterkiefer zuckte krampfartig – kein Platz für ihre Zähne zum Klappern … Wo, verdammt noch mal … Es war so kalt.
    Der Tunnel verlief gerade, so weit sie sehen konnte, und roch nach einer Mischung aus Kupfer und Moder.
    Jo rollte sich wieder auf den Bauch und reckte den Kopf in Richtung des Atemgeräuschs. Vor sich sah sie die nackten Sohlen zweier Füße, die ebenfalls gefesselt und mit den Händen verbunden waren. Sexton starrte sie an, um ihren Blick auf sich zu ziehen, denn auch er war geknebelt. Seine Augen warnten sie, ruhig zu bleiben, und sie nickte. Schielend fragte sie »Wer?«, doch Sexton hatte die Augen geschlossen, vermutlich, um ihr zu signalisieren, dass mehr Kontakt zu gefährlich war. Dann vernahm sie ein Geräusch im Hintergrund – ein Summen oder Murmeln, eindeutig eine Männerstimme –, das näher kam.
    Jo schloss ebenfalls die Augen. Sexton war nackt, sie dagegen voll bekleidet, und in der Brusttasche ihrer Leder jacke steckte ein altes Feuerzeug aus ihrer Raucherzeit. Sollte es noch funktionieren und sie irgendwie daran gelan gen können, wäre es eine Waffe, ein Grund zur Hoffnung.
    Sie lauschte angestrengt auf die Melodie, die der Mörder summte. Was war das? Ein Kirchenlied, irgendetwas Religiöses – dieser verdammte Irre. Jetzt wusste sie auch, was das für ein Geschmack in ihrem Mund war: Benzin. Sie hörte noch etwas anderes, weiter entfernt, nicht eigent lich ein Laut, sondern eher eine Vibration, die sich durch die Röhre fortsetzte. Denk nach, sagte sie sich. Wenn das von elektrischen Kabeln kommt, bedeutet das, dass wir vermutlich irgendwo unter der Erde sind, in einem Keller oder Tiefgeschoss. Das Wummern kommt also von oben und muss sehr laut sein, wenn man es hier unten noch wahrnimmt. Sie hörte die knirschenden Schritte des Mör ders herannahen und erkannte aus den Augenwinkeln eine Art Kutte, dunkelbraun wie die der Franziskaner. Er ging dicht an ihr vorbei, seine Füße nur Zentimeter vor ihrem Gesicht. Dann kniete er sich hin und legte ihr zwei Finger an den Hals. Aus halb geöffneten Lidern könnte sie vielleicht sehen, wer es war, aber auf Sextons Warnung hin riskierte sie es nicht. Der Mann fühlte ihren Puls, um sicherzugehen, dass sie noch lebte, damit er sie foltern konnte, wie er die anderen gefoltert hatte. Wenn sie es richtig anstellte, gelang es ihr vielleicht, den Knebel auszuspucken und ihre Zähne in

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