Opferspiel: Thriller (German Edition)
es eigentlich besser wissen sollten, standen beim Fahrradunterstand zusammen und rauchten. Jo hätte sich liebend gern zu ihnen gesellt, wenn sie die Zeit gehabt hätte. So aber eilte sie mit ihrem Kollegen durch die Krankenhausflure, vorbei an Ärzten, die noch die OP-Kittel trugen, und grell bemalten Betonstatuen von diversen Heiligen.
»Die Oberschwester weigert sich strikt, uns zu ihm zu lassen«, berichtete Sexton und putzte sich die Nase. »Die Intensivstation ist eine geschlossene Station, das bedeutet, nur die nächsten Angehörigen und auch die nur, wenn die Oberschwester es erlaubt.«
»Das werden wir ja sehen«, sagte Jo. Sie blieb abrupt stehen, sodass er ebenfalls anhalten musste. »Achten Sie genug auf sich?«, fragte sie eindringlich, als er sich überrascht zu ihr umdrehte.
»Das ist nichts, nur meine ewigen Nebenhöhlen«, antwortete Sexton.
Jo war nicht überzeugt.
»Das Opfer heißt Pater Reginald Walsh«, redete er schnell weiter. »Sein Fuß ist glatt abgetrennt worden, und er wurde innerhalb eines Radius von circa achthundert Metern um die anderen Morde herum gefunden.«
Jo marschierte weiter. »Ich möchte, dass Sie sich mit der Krankenhausverwaltung in Verbindung setzen. Sagen Sie ihnen, dass ein Serienmörder in der Stadt sein Unwesen treibt und sie sein neuestes Opfer hier im Haus haben. Wenn sie nicht kooperieren, werden wir Informationen an die Medien durchsickern lassen, und die werden sich hier breitmachen wie ein Hautausschlag. Den Boulevardjournalisten ist es ohne Weiteres zuzutrauen, dass sie in weißen Kitteln auf der Station aufkreuzen, um ihre Sensation zu bekommen. Die Verwaltung wird ein solches Sicherheitsrisiko garantiert nicht eingehen wollen. Sagen Sie ihnen, ich brauche nur fünf Minuten.«
Sexton nickte und deutete noch auf die Tür zur Intensivstation ein Stück weiter vorn, bevor er sich auf den Weg machte.
Die Stationstür war mit Warnhinweisen, keine Mobiltelefone zu benutzen, beklebt. Ein paar bedrückte Angehörige hielten sich bei den Händen, und weitere verzweifelte Menschen saßen dicht gedrängt in einem winzigen Wartezimmer. Regale voller Decken und Kissen deuteten darauf hin, dass die Sitzgelegenheiten nachts häufig als Betten dienten. Das Gesundheitssystem ihres Landes machte Jo fuchsteufelswild – Alte und Kranke wurden auf Bahren in der Notaufnahme liegen gelassen, während ganze Stationen voll unbenutzter Betten gar nicht erst eröffnet wurden, weil die Bürokraten im mittleren Management alles dafür taten, um nicht selbst von den Budgetkürzungen betroffen zu werden und sich in das Heer der Arbeitslosen einreihen zu müssen.
Weniger als zehn Minuten, nachdem Sexton losgegangen war, tauchte eine untersetzte Schwester aus dem Inneren der Intensivstation auf. Sie schien keine Schwierigkeiten zu haben, Jo als die richtige Ansprechpartnerin auszumachen. »Sobald ich sage Schluss, machen Sie Schluss.«
Jo betrat einen kleinen Waschraum und befolgte die an der Wand hängenden Anweisungen, spritzte eine desinfizierende rosa Flüssigseife auf ihre Hände und rieb sie noch mit einem weißen Gel auf Alkoholbasis ein, das wie klarer Schnaps roch und sofort trocknete – ein Superbakterienkiller. Anschließend faltete sie eine weiße Plastikschürze auseinander, die sie sich über den Kopf hängte und hinten festknotete, und zog einen Mundschutz über, ehe sie endlich hineinging.
Drinnen war es laut und neonhell. Vier Glaskabinen trenn ten drei Betten voneinander ab und verschafften den Angehörigen der Patienten, die dem Tod am nächsten waren, ein bisschen Privatsphäre. Die vierte Kabine wurde als Schwesternzimmer genutzt. In einem Fernseher oben auf einer Wandkonsole lief eine Soap, die einige pausierende Schwestern und Pfleger gebannt verfolgten, obwohl der Ton ganz leise gestellt war.
Die Stationsschwester schrieb etwas auf ein großes Kran kenblatt, das auf Augenhöhe an einem Rollgestell am Bett des Priesters angebracht war. Er war ein wenig dicklich und wachsbleich und hing an einem Geflecht aus Drähten und Schläuchen, die ihrerseits mit blinkenden und periodisch piependen Monitoren verbunden waren. Von einem davon baumelte ein Rosenkranz. Das verstümmelte rechte Bein wurde von der Schlinge eines an der Decke befestigten Flaschenzugs ein paar Zentimeter über dem Bett hochgehalten.
»Wie geht es ihm?«, fragte Jo.
»Er hat die Krankensalbung bekommen.« Die Schwester hockte sich neben das Bettgestell, um einen durchsichtigen Katheterbeutel
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