Opferspiel: Thriller (German Edition)
einer Hektik darauf herum, die ihm signalisierte, dass sie nur ihm zuliebe mitkam.
»Wäre es meine Entscheidung gewesen, hättest du ihn gehabt, okay?«, sagte Foxy. »War es aber nicht. Wir hatten einen Gast. Er ist gleich danach gegangen.«
»Wer?«, fragte Jo gereizt.
Foxy sah sie vielsagend an.
»Los, spuck’s aus. Das ist eine ernste Sache. Wenn ich diesen Kurs nicht bestehe, habe ich keine Chance, meine Versetzung bewilligt zu bekommen.«
Foxy hielt Jos bohrendem Blick stand. Die meisten Leute schafften das nicht, denn die Pupillen ihrer glasartigen Augen waren seit einem Autounfall als Kind dauerhaft geweitet.
»Was glaubst du wohl? Der Chief Superintendant natürlich.«
Jo stöhnte. Ihre berufliche Beziehung zu ihrem Exmann Dan Mason gestaltete sich allmählich genauso schwierig wie die Trennung von ihm. Seit sie vor anderthalb Jahren auseinandergegangen waren, hatte Dan sie praktisch auf dem Abstellgleis geparkt und ihr nur Aufgaben übertragen, mit denen sie ihre Überführungsrate nie und nimmer steigern konnte. Und jetzt sah es so aus, als wollte er auch ihren Plan B sabotieren. Sie hatte sich für jeden verfügbaren Fortbildungskurs angemeldet, um einen möglichst großen Bogen um ihn zu machen. Ihre Hoffnung war, durch den Erwerb einer Reihe von zusätzlichen Qualifika tionen ihre Versetzung in irgendeine unabhängige Republik zu beschleunigen, weit weg vom Einflussbereich ihres Ex und seiner Seilschaften – zum Beispiel zur Garda National Drugs Unit ( GNDU ), der landesweit operierenden Drogenbekämpfungsgruppe, oder zum Criminal Assets Bureau ( CAB ), dem Amt für die Beschlagnahme illegal erworbener Vermögenswerte. Doch jetzt schien Dan sich vorgenommen zu haben, ihr auch dabei ein Bein zu stellen. »Verdammt, jetzt reicht’s, ich bring ihn um!«, fluchte sie.
Foxy breitete hilflos die Hände aus zum Zeichen, dass er nichts damit zu tun hatte. Er war gebaut wie ein Jockey, drahtig und mit einem Kopf, der zu groß für seinen Körper wirkte. Gerade wollte er noch etwas sagen, als Jo auf einmal eine Wohnungstür rechts von ihm fixierte. Sie ging darauf zu und strich der Länge nach mit der Hand darüber.
»Sieht aus, als wären wir auf einen Einbruch gestoßen«, sagte sie und zeigte auf den verbogenen Türgriff und die Schrammen am unteren Rand.
»Das Gebäude ist unbewohnt«, kommentierte Foxy besorgt. »Sonst hätte die Versicherung die Übung heute nie abgedeckt.«
Jo zog ihren Jackenärmel über die Hand und drückte den Griff herunter. Sie holte tief Luft, als die Tür nachgab.
»Geh nicht rein, ich hole Verstärkung«, rief Foxy und lief auf die Treppe zu.
Doch Jo war schon in der Wohnung und tastete an der Wand nach einem Lichtschalter. »Jemand zu Hause?«, rief sie. Dann keuchte sie auf und zog ihren bunten, grob ge strickten Dr.-Who-Schal gegen den Gestank über die Nase. Es roch muffig und durchdringend, wie schwelendes Bakelit. Die Heizung war voll aufgedreht, und noch etwas anderes, das sie nicht einordnen konnte, verursachte ihr eine Gänsehaut …
Sie fuhr zusammen, als Foxy, der umgekehrt war und sie offensichtlich nicht allein lassen wollte, hinter ihr ein Husten unterdrückte. Er hatte sein Gesicht in der Armbeuge vergraben. »Herrgott, was stinkt denn hier so? Das ist ja widerwärtig. Da wird doch nicht einer den Löffel abgegeben haben, oder?«
Jo ging vorsichtig weiter und erfasste mit einem Blick das kleine Wohnzimmer mit offener Kochnische. Zwei Tü ren rechts von ihr, eine weitere links, hinter dem Küchenbereich. Keine Bilder an den Wänden, keine persönlichen Gegenstände, nur ein paar wenige zusammengewürfelte Möbel auf dem Laminatfußboden, der einen Wischmopp nötig hatte. Sie ging auf einen verschmierten Glascouchtisch zu, leckte ihren kleinen Finger an und tippte ihn in eine nicht angerührte Linie Koks.
Foxy flüsterte: »Hey, hast du alles vergessen, was ich dir beigebracht habe? Das Zeug könnte sonst was enthalten, Strychnin zum Beispiel.«
Jo pfiff lautlos durch die Zähne. Wegen Rattengift brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, das Zeug war unverschnitten. Diese Bude rangierte wohl höher auf der Erfolgsleiter, als der erste Eindruck vermuten ließ.
Sie registrierte wieder das Hintergrundgeräusch, das sie sofort hatte wachsam werden lassen. Schmeißfliegen bedeuteten ihrer Erfahrung nach immer nur eines. Wir kommen zu spät .
Sie wandte sich nach rechts und öffnete die erste Tür. Das Badezimmer, leer. Handtücher auf dem Boden, sie
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