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Opfertod

Opfertod

Titel: Opfertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
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zwar nur ein leises Nuscheln vernommen, schließt aber nicht aus, die Stimme wiederzuerkennen. Darüber hinaus will Christine Wagenbach Musik gehört haben. Höchstwahrscheinlich handelte es sich dabei um eine Oper. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich die wenigen Male, die ich in der Oper war, an einer Hand abzählen kann.« Sie blickte zu Lucy Gittinger. »Lucy, soweit ich weiß, gehen Sie öfter in die Oper. Ich möchte, dass Sie mit ins Krankenhaus kommen und mir dabei helfen herauszufinden, welche Oper das war.«
    »Ähm, Frau Peters …«, stammelte Lucy, bevor sie hilfesuchend zu Drescher sah.
    »Christine Wagenbach ist heute Nacht im Krankenhaus verstorben«, brachte Drescher räuspernd hervor und korrigierte den Sitz seiner Brille. »Ihr Herz hat gegen vier Uhr aufgehört zu schlagen. Sämtliche Reanimierungsversuche schlugen fehl, die Ärzte konnten nichts mehr für sie tun.«
    Lena fühlte sich, als habe er sie geohrfeigt. Das ist nicht wahr! Sie holte kräftig Luft. »Und das erfahre ich erst jetzt?«
    Sie bemühte sich, die Fassung zu bewahren.
    »Ich nahm an, Herr Vogt hätte es Ihnen bereits mitgeteilt«, sagte Drescher und warf Ben Vogt einen tadelnden Blick zu.
    Lena hörte das Blut in ihren Ohren rauschen. »Das wäre durchaus angebracht gewesen!« Fassungslos sah sie abwechselnd zu Drescher und dem Rotschopf. Was fällt denen ein, mich nicht darüber zu informieren!
    »Sorry, aber mir hat keiner gesagt, dass ausgerechnet ich es ihr sagen soll«, meinte Vogt scheinheilig. Lena spürte, wie ihr Mund ganz trocken wurde. Wenn Christine Wagenbach ihretwegen gestorben war, würde sie sich das niemals verzeihen.
    »Ich möchte, dass Sie wissen, dass Wagenbachs Tod in keinem Zusammenhang mit ihrem Nervenzusammenbruch während Ihrer Befragung im Krankenhaus steht«, stellte Drescher Lena zugewandt klar, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Wagenbach ist an einer schweren Blutvergiftung infolge der Amputation gestorben.« Benommen nickte Lena. Aber die erhoffte Erleichterung blieb aus. Sie würdigte sowohl Vogt als auch Drescher keines Blickes mehr, sondern packte mit schnellen Handbewegungen ihr Notizbuch ein und verließ wütend den Konferenzraum.

16
    Lena eilte im Stechschritt über den Korridor. Der lässt mich tatsächlich dastehen wie eine Idiotin! Sie schloss die Tür zur Damentoilette hinter sich, lief zum Waschbecken und wusch sich mehrfach die Hände. Wieder und wieder betätigte sie den Seifenspender und rubbelte ihre Hände ab. Erst nach einer Weile, als ihre Finger bereits rotgerieben waren, schaffte sie es, das Wasser abzudrehen und kurz innezuhalten. Beruhig dich, verdammt! Haltsuchend stützte sie sich auf dem Waschbeckenrand ab und schloss eine Sekunde lang die Augen. Dann langte sie nach dem Papierhandtuchspender. »Komm schon, du Mistding!«, zischte sie und rüttelte daran. Doch der Spender wollte partout nichts ausspucken. Wie wild rüttelte Lena weiter, als sie im Spiegel Rebecca Brandt zur Tür hereinkommen sah.
    »Willst du das Ding aus der Wand reißen?«
    Lena ließ ihre nassen Hände sinken und schnaubte.
    »Tut mir leid, wie die Sache gelaufen ist«, meinte Brandt, »ich war der Meinung, du wüsstest längst, dass die Wagenbach tot ist …«
    Lena schüttelte den Kopf. »Erst verschweigt mir der Drescher, dass meine Vorgängerin verschwunden ist – genau wie ihre Akte –, und dann auch noch das.«
    »Der hätte dich vor versammelter Mannschaft echt nicht so auflaufen lassen müssen«, stimmte Brandt zu. »Ja, ja, Zuckerbrot und Peitsche – ist halt so seine Art, wenn er jemanden gut findet …«, sagte sie halb im Scherz.
    »Gut? Dass ich nicht lache!« Lena schüttelte erneut den Kopf und wischte sich die Hände an ihrer Jeans ab. »Was soll’s«, seufzte sie, nachdem sie sich wieder etwas gefasst hatte. »Ist nicht der Rede wert.« Eine Lüge.
    Rebecca Brandt setzte eine teilnahmsvolle Miene auf und verschwand auf die Toilette. »Wir gehen nachher in der Mittagspause alle zu diesem neuen Sandwichladen an der Ecke«, rief sie aus der Toilettenkabine. »Kommst du mit?«
    Lena beugte sich zum Hahn hinunter und trank einen Schluck Wasser. Sie wischte sich mit dem Handrücken den nassen Mund ab und sagte: »Danke, aber ich habe noch zu tun.« Lena wusste, dass es ein Versöhnungsangebot war, aber sie musste in dem Fall vorankommen und sich beweisen. Erst recht nach ihrem peinlichen Auftritt. Zudem wollte sie die Gelegenheit nutzen, um dem Archivar einen weiteren

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