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Opfertod

Opfertod

Titel: Opfertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
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Anweisung gegen ihren Willen Folge geleistet zu haben. Nichtsdestotrotz musste sie sich eingestehen, dass die Befragung erkenntnisreich und Dreschers rabiate Vorgehensweise durchaus berechtigt gewesen war.
    Lena ließ sich bis zum Hals ins Wasser gleiten, als sie auf einmal ein sonderbar scharrendes Geräusch aus dem Flur vernahm. Sie riss die Augen auf und horchte. Was war das? Und da war es plötzlich wieder. Ein leises Scharren. Rasch richtete sie sich in der Wanne auf, griff ein Handtuch und stieg fast lautlos aus der Badewanne. Lena wickelte das Handtuch um und trat barfuß in den unbeleuchteten Flur hinaus. Aus ihren nassen Haaren tropfte Wasser auf die Dielen. Im hereinfallenden Mondschein erkannte sie Napoleon. Der Kater leckte sich die Vorderpfote, bevor er von etwas aufgeschreckt maunzend hinter eine der Umzugskisten schlich. Vorsichtig ging Lena weiter und sah sich angespannt um. Ein leichter Windhauch schlug ihr entgegen. Wie vom Blitz getroffen erstarrte Lena, als sie feststellte, dass die Wohnungstür einen Spalt offen stand. Lena blieb eine Sekunde lang reglos auf dem Flur stehen und spürte, wie ihr Puls sich beschleunigte. Sie war sicher gewesen, dass die Tür hinter ihr im Schloss eingerastet war, als sie mit den Einkäufen im Arm nach Hause gekommen war. Der Holzboden gab knarrend unter ihren Schritten nach, als sie langsam auf die Tür zuging, ihre Hand auf den Türgriff legte und sie ein Stück weiter öffnete. Lenas Augen suchten hastig den düsteren Hof ab. Doch hier draußen war alles ruhig. Mit einem seltsamen Gefühl ging Lena wieder hinein. Sie schloss die Tür und sperrte sicherheitshalber zweimal ab. Doch da war es plötzlich wieder! Das Scharren kam aus ihrer Wohnung. Ganz langsam wandte sich Lena um. Jemand war in ihrem Schlafzimmer! Ohne Licht zu machen, hastete sie in die Küche. Mit schweißnassen Händen tastete sie die Arbeitsfläche nach dem großen Brotmesser ab, fand es und schlich damit geradewegs auf das Schlafzimmer zu. Auf der Türschwelle blieb Lena stehen. Sie schloss die Augen, nur um sie im nächsten Moment aufzureißen, als sie registrierte, was das Geräusch verursacht hatte. Nichts weiter als ein Ast, der im aufkommenden Wind an der gekippten Verandatür schabte. Lena musste über sich selbst lachen und ließ das Messer sinken. Sie schloss die gekippte Tür und rieb sich die Schläfen. Sollte ihr der Fall etwa schon jetzt mehr zusetzen, als sie sich eingestehen wollte? Lena beschloss, sich abzutrocknen, noch ein Glas Wein zu trinken und dann rasch zu Bett zu gehen.
    Das Messer legte sie trotzdem unter die Matratze.

14
In den frühen Morgenstunden des 10. Mai
    Die ganze Nacht über hatte Lena sich unruhig im Bett gewälzt, während die Gesichter der getöteten Frauen immer wieder vor ihrem geistigen Auge aufgetaucht waren. Sie fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis sie den Stümmler , wie die Klatschpresse den Täter getauft hatte, überführen würden.
    Wie viele unschuldige Frauen wirst du noch töten, bevor ich dir auf die Schliche komme?
    Vier Stunden vor Sonnenaufgang gab sie sich im Kampf gegen die Schlaflosigkeit schließlich geschlagen. Der Fall ließ ihr einfach keine Ruhe. Sie stieg aus dem Bett, zog sich ihren Morgenmantel über und ging ins Arbeitszimmer, um sich durch dicke Wälzer über fallanalytische Verfahrensweisen, psychologische Diagnostik und Psychopathie zu kämpfen. Lena hätte die Inhalte der Bücher im Schlaf aufsagen können, aber möglicherweise würde sie ja doch noch auf den einen oder anderen Hinweis stoßen, irgendeinen Ansatzpunkt, den sie bislang außer Acht gelassen hatte.
    Eine Weile später rieb sich Lena die müden Augen. Sie stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Schreibtisch ab und blätterte nachdenklich in ihrem Notizbuch. Ihr Blick schweifte zum Fenster hinaus in die Dunkelheit. Lena fuhr ihren Laptop hoch und begann zu schreiben: Der Täter geht sehr kalkuliert vor, eiskalt und unerbittlich. Ganz und gar auf seine Mission konzentriert, empfindet er keinerlei Empathie gegenüber seinen Opfern, geschweige denn Schuldgefühle. Dafür spricht bereits die Tatsache, dass die Abstände zwischen den Morden stetig kürzer werden; dass er obendrein noch ein Sadist ist, belegt nicht nur die Tatsache, dass er seinen Opfern Alcuroniumchlorid spritzt, sondern auch, dass er sie rücksichtslos ihrem Schicksal überlässt, anstatt sie nach der Amputation zu töten. Doch weshalb setzt er sich selbst dem Risiko aus, dass das Opfer

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