Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opfertod

Opfertod

Titel: Opfertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
Vom Netzwerk:
Squashhalle. Drescher warf ihr mit einem Zwinkern den Ball zu. »Ladies first.«
    Lena atmete einmal tief ein und aus, holte zum Aufschlag aus und eröffnete das Match. Als Drescher sah, mit welcher Wucht sie den Ball schlug, verging ihm das Lachen. Er musste sich sputen, den Ball überhaupt zu bekommen. Lena ließ die Bälle nur so durch den Court krachen und schickte Drescher von links nach rechts. Die Gummisohlen der Turnschuhe quietschten auf dem Hallenboden, doch Lena dominierte das Match. Sie war nicht nur geschickter, sondern auch wendiger als Drescher und drosch wie besessen auf den Ball ein, bis ihr der Schweiß von der Stirn rann. Nach einem weiteren heftigen Schlagabtausch ließ Drescher den Ball ins Aus gehen und wandte sich Lena keuchend zu. »Mein Gott, haben Sie einen Schlag drauf – wollen Sie mich umbringen?«
    Lena stützte sich mit krebsrotem Kopf auf ihren Knien ab und verschnaufte.
    »Der Fall scheint Ihnen ja ziemlich zuzusetzen …«, ächzte Drescher.
    Sie richtete sich auf und fuhr sich mit ihrem Schweißband über die nasse Stirn, ohne den Blick von Drescher zu nehmen. »Das ist es nicht.«
    »Sondern?«
    Lena sah ihm fest in die Augen. »Warum haben Sie mir verschwiegen, dass vor mir bereits eine Profilerin an dem Fall dran war?«
    Drescher wandte den Blick ab. Er nahm sein Handtuch von der Bank und rieb sich damit den verschwitzten Nacken. »Ich habe keinen Anlass dafür gesehen.«
    »Keinen Anlass? Sie wollen von mir, dass ich ein umfassendes Täterprofil erstelle, und haben keinen Anlass dafür gesehen?« Lenas Augen weiteten sich vor Wut. »Dr. Dobellis Ermittlungsakte sollte längst auf meinem Schreibtisch liegen!«
    Er zuckte mit den Achseln. »Nachdem Dobelli hingeworfen hat, hielt ich es für das Beste, dass Sie ganz unvoreingenommen an den Fall rangehen. Das verstehen Sie doch sicher … Aber wenn Ihnen diese Akte so wichtig ist, warum holen Sie sie dann nicht einfach aus dem Archiv?«
    »Weil sie dort nicht ist!«
    Drescher sah sie überrascht an. »Das ist seltsam … wirklich seltsam.«
    Lena musterte ihn scharf. Sie bezweifelte, dass Dreschers Erstaunen echt war. Dennoch würde es keinen Sinn machen, weiterzubohren. Wenn sie wirklich wissen wollte, was mit ihrer Vorgängerin geschehen war, würde sie die Sache selbst in die Hand nehmen müssen.
    »Wir sehen uns dann morgen«, sagte sie lakonisch, legte den Schläger auf die Bank und verließ mit ihrem Handtuch in der Hand den Squash-Court.

13
    Es war bereits spät am Abend, als Lena nach Hause kam. Sie fütterte ihren Kater, setzte sich vor den Fernseher und aß das Käse-Baguette, das sie zusammen mit einer Flasche Merlot auf dem Rückweg vom Fitnessstudio in dem kleinen Bistro um die Ecke gekauft hatte. Gelangweilt zappte sie eine Weile durch das Programm, das nur noch aus Gameshows und Doku-Soaps zu bestehen schien, schaltete den Fernseher wieder ab und brachte den Teller mit dem restlichen Käse-Baguette zurück in die Küche. Lena entkorkte den Rotwein, schenkte sich ein Glas davon ein und schlenderte damit ins Badezimmer, um sich ein heißes Bad einzulassen. Sie zündete einige Kerzen an und zog sich aus. Mit einem wohligen Seufzen stieg sie in die Wanne. Genau das, was ich jetzt brauche. Sie schloss die Augen und spürte, wie sich ihre Glieder allmählich entspannten, während sie ihren ereignisreichen ersten Arbeitstag bei der Berliner Mordkommission vor ihrem geistigen Auge noch einmal Revue passieren ließ. Sie dachte an ihr neues Büro, an die vielen neuen Gesichter, an die sie sich erst noch gewöhnen musste. An Rebecca Brandt, die etwas vorlaut, im Grunde aber ganz in Ordnung war. An Volker Drescher, den sie noch nicht wirklich durchschaut hatte. Und an Ben Vogt, den Rotschopf, der den Anschein erweckte, als habe er Angst, dass sie ihm den Rang streitig machen wollte. Doch mit etwas Glück würden die nächsten Wochen nicht halb so schlimm werden, wie sie befürchtet hatte. Zumindest was die Teamarbeit mit Brandt anbelangte. Sie nahm das Glas Rotwein, das sie am Wannenrand abgestellt hatte. Lena trank einen großen Schluck und spürte, wie der Wein ihre Kehle hinabfloss und ihre Nerven beruhigte. Gedankenversunken stellte Lena ihr Weinglas am Badewannenrand ab und lehnte sich in der Wanne zurück. Unwillkürlich schweiften ihre Gedanken zu Christine Wagenbach. Lena spürte, wie das schlechte Gewissen wegen der Befragung im Krankenhaus noch immer an ihr nagte, und im Nachhinein ärgerte sie sich, Dreschers

Weitere Kostenlose Bücher