Opfertod
Besuch abzustatten und Dr. Dobellis Ermittlungsakte ausfindig zu machen. Im Anschluss würde sie bei Dr. Kurt Böttner in der Pathologie vorbeischauen, um ihn persönlich zu möglichen Auffälligkeiten oder Gemeinsamkeiten bei den Opfern zu befragen. Vielleicht gab es ja doch noch ein winziges Detail, das nicht im Obduktionsbericht erwähnt und bislang außer Acht gelassen worden war.
»Sicher?«, hörte sie Rebecca Brandt fragen.
»Danke, ist wirklich lieb gemeint. Aber wir sehen uns später«, rief Lena ihr noch zu und war schon an der Tür. Sie wollte sich bis zur Mittagspause in ihr Büro zurückziehen.
Als sie aus der Tür trat, sah sie Volker Drescher gerade noch nebenan in der Herrentoilette verschwinden.
17
Einige Stunden später
Die Füße auf dem Schreibtisch gekreuzt, blickte Lena aus dem Fenster zum Parkplatz hinunter und dachte angestrengt nach. Seit ihrem peinlichen Auftritt in der Konferenz waren inzwischen mehr als drei Stunden vergangen, und sie war noch immer keinen Schritt weiter. Ihr Besuch bei Charly war erfolglos gewesen. Der Archivar hatte trotz ausgiebiger Suche weder die Ermittlungsakte von Dr. Dobelli noch eine Abschrift davon finden können. Und auch Lenas Abstecher in die Pathologie hatte keinerlei neue Erkenntnis gebracht.
Das Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken.
Lena nahm die Füße vom Schreibtisch und setzte sich auf. »Herein …«
Es war Rebecca Brandt, die soeben aus der Mittagspause zurückgekehrt war. Sie trat ein und legte ein Thunfisch-Sandwich vor Lena auf den Schreibtisch. »Hier, du fällst sonst noch vom Fleisch.«
Lena senkte den Blick auf das Sandwich. »Danke«, meinte sie und lächelte, »das wäre doch nicht nötig gewesen.« Eine glatte Lüge, ihr Magen knurrte schon seit Stunden, sie hatte einen Bärenhunger! Halb auf den Schreibtisch gelehnt, beugte sich Brandt zu Lena herunter. »Du weißt das nicht von mir, aber was Dobellis Akte zu den Ermittlungen angeht …« – sie warf einen flüchtigen Blick über die Schulter in Richtung der offenstehenden Tür, bevor sie weitersprach –, »… ich meine, mal gesehen zu haben, dass Drescher die bei seinem Privatkram in seinem Schreibtisch aufbewahrt …«
Lena verschränkte die Arme vor der Brust und blickte sie stirnrunzelnd an. »Ach wirklich – das ist ja interessant.«
Da hätten sie und Charly ja lange suchen können. »Danke«, sagte sie und lächelte Rebecca Brandt verschwörerisch zu.
»Keine Ursache«, meinte Brandt noch und ging. Kaum hatte sie das Büro verlassen, fiel Lena über das Sandwich her. Sie schlang es in großen Bissen hinunter, als das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte.
»Peters«, nahm Lena das Gespräch mit vollem Mund an.
Am anderen Ende der Leitung meldete sich Volker Drescher. »Hören Sie zu, Peters, Ferdinand Roggendorf besitzt eine Datsche in Brandenburg. Und jetzt halten Sie sich fest: Dort ist die Unterwäsche von der Mathematikstudentin sichergestellt worden.«
»Im Ernst?« Gebannt lauschte Lena Dreschers weiteren Ausführungen. Sie ließ das restliche Sandwich liegen und wischte sich mit der Serviette rasch den Mund ab.
»Roggendorf ist bereits auf dem Revier. Ben Vogt ist gerade dabei, ihn zu vernehmen«, hörte sie Drescher sagen.
Mit dem Hörer in der Hand sprang Lena auf. »In Ordnung, ich bin sofort da.«
18
»Roggendorf gibt vor, nicht die geringste Ahnung zu haben, wie Nowaks Slip und ihr BH in seine Datsche gelangt sind«, erklärte Drescher, während Lena ihm wenig später schnellen Schritts über den Korridor zum Vernehmungsraum folgte. Über die Konferenz am Morgen verlor er kein Wort. Doch Lena war professionell genug, um ihre persönlichen Differenzen mit Drescher aus den Ermittlungen herauszuhalten.
»Darüber hinaus bestreitet er, dass diese Studentin je dort gewesen ist«, fuhr der Leiter der Mordkommission fort.
»Sie sagten, es gebe eine Nachbarin, die Schreie aus der Datsche gehört haben will. Hat sie Yvonne Nowak nie hinein- oder hinausgehen sehen?«, hakte Lena nach.
Drescher schüttelte den Kopf. »Offenbar nicht. Aber die Unterwäsche, die stammt laut DNA -Test eindeutig von Yvonne Nowak.«
»Wurde sonst noch was gefunden?«
»Die Kollegen der Spurensicherung haben jede Menge Kreuze, Pendel, Tarotkarten und solchen Kram sichergestellt. Die Wände waren mit Tierblut beschmiert, und überall waren Pentagramme eingeritzt. Außerdem wurden bei ihm etwa ein Dutzend Ampullen irgendeiner Chlorid-Substanz
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