Opfertod
sichergestellt.«
Lena sah ihn fragend an. »Alcuroniumchlorid?«
»Das wird sich noch herausstellen. Aber bis auf die Unterwäsche haben wir im Moment nichts, womit wir ihn festnageln könnten – diese Ampullen werden kaum ausreichen, um ihm den Mord an Yvonne Nowak nachzuweisen, geschweige denn den an den anderen Frauen.« Er hielt Lena die Tür zu dem schmalen, fensterlosen Raum auf, den eine Scheibe von dem Vernehmungsraum trennte. »Ach, Peters …«
Sie blieb stehen. »Ja?«
»Schicke Bluse.« Er zwinkerte ihr zu.
Lena zog die Brauen hoch. »Danke«, antwortete sie, ein wenig irritiert von seiner unpassenden Bemerkung. Sie trat an die getönte Scheibe und verfolgte mit verschränkten Armen, wie Ferdinand Roggendorf von Ben Vogt vernommen wurde. Roggendorf war nicht sonderlich groß, aber recht extravagant gekleidet. Seine Augen waren mit schwarzem Kajal umrandet, die dunkelbraunen Haare mit reichlich Gel betoniert. In seinem bestickten Samtjackett, der enganliegenden Lederhose, den hohen, mit Nieten besetzten Stiefeln und mit seinem dünnen Oberlippenbart wirkte er auf Lena mehr wie eine schlechte Kopie von Prince als das Anwaltssöhnchen, das sie erwartet hatte. Roggendorf saß mit gespreizten Beinen auf dem Stuhl, eine Hand ruhte lässig auf der Stuhllehne. Seine Körperhaltung sollte selbstbewusste Gelassenheit ausdrücken, wirkte in Lenas Augen aber zu bemüht, als dass sie ihm das wirklich abkaufte. Mit seiner linken Hand steckte er sich eine Zigarette zwischen die schmalen Lippen.
»Rauchen ist hier nicht gestattet«, bemerkte Vogt und riss Roggendorf mit einer ruckartigen Bewegung die Zigarette aus dem Mund und Lena aus ihren Gedanken.
Ferdinand Roggendorf stöhnte genervt und fuhr sich über den Bart. »Hören Sie, ich habe alles gesagt, was ich weiß. Und ich kenne meine Rechte« – er zeigte mit dem Finger auf den Beamten –, »und solange Sie nichts Konkretes gegen mich in der Hand haben, können Sie von Glück reden, dass ich überhaupt noch hier bin – also bitte ein bisschen mehr Respekt, klar?« Sein Tonfall war mehr als überheblich.
Lena hob die Brauen und sah zu Drescher, der mit vor der Brust verschränkten Armen neben ihr an der Scheibe stand. Er nahm seine Brille ab und blickte Lena an.
»Peters, sind Sie schon bereit?«, fragte er mit einem Kopfnicken Richtung Vernehmungsraum.
»Sicher«, sagte Lena.
»Dann lassen Sie mal sehen, was Sie draufhaben«, meinte Drescher. Er ging zum Pult, drückte einen Knopf und sprach in das Mikrophon zum Vernehmungsraum. »Wir machen eine kurze Pause.« Dreschers Stimme war noch nicht verklungen, da sah Lena, wie Ben Vogt angesäuert den Unterkiefer vorschob. Und als sie ihm in der Tür entgegenkam, stand ihm sein Missfallen darüber, dass sie die Befragung übernahm, deutlich ins Gesicht geschrieben. Sie schenkte ihm trotzdem ein flüchtiges Lächeln, ehe sie die Tür zum Vernehmungsraum hinter sich schloss. Vor Vogt müsste sie auf der Hut sein. Seine Eifersüchteleien konnte sie jetzt am allerwenigsten gebrauchen. Lena setzte sich Ferdinand Roggendorf gegenüber. Ein herber, teuer riechender Herrenduft kroch ihr in die Nase.
»Mein Name ist Lena Peters, ich bin Kriminalpsychologin und würde Ihnen gerne noch einige Fragen stellen.« Sie legte ihr Notizbuch auf die Resopalplatte des Tisches. »Soll ich Sie mit ›Herr Roggendorf‹ anreden – oder lieber mit Ihrem Chat-Namen ›Dark Armon‹?«
Seine Wangenmuskeln zuckten, und in seinem Ausdruck lag etwas Schelmisches. »Nennen Sie mich, wie Sie wollen«, antwortete er, leicht vorgebeugt. »Allerdings habe ich nicht den ganzen Tag Zeit. Auch für Sie nicht, Frau Kriminalpsychologin.«
Lena spitzte die Lippen. »Wenn es Ihnen lieber ist, kann ich Ihnen gerne wieder meinen Kollegen reinholen.«
Er sah sie finster an. »Nee, lassen Sie mal. Trotzdem verstehe ich nicht, was das Ganze soll« – er zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf –, »ich werde hier behandelt wie ein verdammter Schwerverbrecher!«
Im ersten Moment erweckte er den Eindruck, er sei ihr, der Kriminalpsychologin, gegenüber weniger arrogant als gegenüber dem Polizisten Vogt, was bei den meisten Verdächtigen so war und daran lag, dass sie keine Polizeimarke besaß. Lena zog einen Mundwinkel hoch. »Sie haben vollkommen recht.« Unverhofft fuhr sie mit dem Stuhl zurück und lief zur Tür. »Könnten wir bitte einen Kaffee haben?«, rief sie über den Flur.
Roggendorf lächelte. »Schwarz bitte, aber mit
Weitere Kostenlose Bücher