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Opfertod

Opfertod

Titel: Opfertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
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kleinen Thai-Imbiss schräg gegenüber einzukehren, um dem Knurren ihres Magens ein Ende zu bereiten. In dem Imbiss stank es nach abgestandenem Fett, und ein Blick in die offene Küche, in der sich versiffte Töpfe stapelten, verriet, dass dieser Laden zweifellos ein Fall für das Gesundheitsamt war. Der asiatische Koch, der mit einer heruntergebrannten Zigarette im Mund eine Handvoll Sprossen in eine Pfanne warf, schien sich ebenso wenig daran zu stören wie die Bier trinkenden Männer am Nachbartisch, die aus aufgedunsenen Gesichtern zu Lena herüberstarrten. Da Lena weit und breit keinen weiteren Imbiss gesehen hatte und ihr leerer Magen erneut auf sich aufmerksam machte, entschied sie, zu bleiben. Außerdem konnte sie von hier aus den Eingang des Box-Clubs bestens im Auge behalten. Lena nahm auf den klebrigen Plastikpolstern Platz und bestellte ein Hühnchen-Curry, das, wie sich herausstellte, gar nicht einmal so übel war. Während sie aß, schweifte ihr Blick immer wieder hinüber zum Box-Club. Es dämmerte bereits, als einige Zeit später Ferdinand Roggendorf auftauchte. Als Lena sah, dass er in der Sporthalle verschwand, warf sie ihre Serviette auf den Teller und zahlte. Sie hatte den Imbiss gerade verlassen, als sie Roggendorf mit einer Sporttasche in der Hand wieder aus dem Box-Club kommen sah. Das war aber ein kurzer Aufenthalt, boxen warst du sicher nicht. Lena lief über die Straße und folgte ihm mit einigem Abstand die Straße entlang. Vorbei an dunklen Hauseingängen, in denen Dealer in kleinen Grüppchen beieinanderstanden und ihre Geschäfte abwickelten. Jugendliche saßen auf Bordsteinen und tranken Bier. Lena konnte spüren, wie sie angestarrt wurde. Sie beschleunigte ihre Schritte und folgte Roggendorf in eine düstere Seitengasse in Richtung eines verlassenen Industriegeländes. »Ehemaliges Gaswerk Spandau Staaken« las sie auf dem Schild vor der heruntergekommenen Einfahrt. Zum Teufel, was hat der vor? Doch ehe sie sich’s versah, hatte sie Roggendorf aus den Augen verloren. Mit einem flauen Gefühl im Bauch blickte Lena sich um. Vor ihr lag die stillgelegte Fabrikhalle, die im schwindenden Sonnenlicht eine gespenstische Kulisse abgab. Die Wände waren mit Graffiti besprüht. Die mit Spinnweben überzogenen Fenster eingeschlagen. Was auch immer dieser Roggendorf hier zu suchen hat, geht garantiert nicht mit rechten Dingen zu. Sie ignorierte das »Betreten verboten! Lebensgefahr!« -Schild und stieg vorsichtig über den heruntergetretenen Stacheldrahtzaun, als sie plötzlich das Aufflackern einer Taschenlampe in der Ruine bemerkte. Irgendetwas ließ Lena zögern, ehe sie das zugewucherte Eingangsportal betrat, das die Natur über die Jahre hinweg zurückerobert hatte. Im Innern der Ruine sah es ebenso wüst aus. Das Dach war zu großen Teilen eingestürzt. Der Boden aufgerissen. Hier und da durchzog eine Spur von Ammoniak und Schwefel die kühle Luft. Lena hatte Mühe, den herumliegenden Gasflaschen auszuweichen, auf denen verblichene Piktogramme zu erkennen waren, die einen Schädel mit gekreuzten Knochen zeigten. Hastig blickte Lena sich immer wieder um, achtete auf jedes Geräusch und auf jeden Schatten. Dann sah sie den Lichtstrahl der Taschenlampe erneut – bei den Abfüllanlagen am anderen Ende der Halle! Sie ging eine marode Eisentreppe hinauf, die über ein Plateau zu den mächtigen Tanks hinüberführte. Lena hielt den Atem an, während sie um die Tanks herumlief. Doch dahinter rührte sich niemand. Lena wurde unbehaglich zumute, und allmählich fragte sie sich, ob es eine gute Idee war, hierherzukommen, als sie im Weitergehen plötzlich an einer auf dem Boden liegenden Stahlkette hängenblieb, die ein verräterisches Rasseln verursachte, das in der ganzen Halle zu hören war. »Shit!« , stieß Lena leise aus, als sie im nächsten Moment ein helles Scheppern vernahm – es kam vom Hinterausgang! Lena eilte dorthin. Keuchend erreichte sie die sperrangelweit offenstehende Hintertür, die zu einem verwahrlosten Industriehof führte. Lena presste sich gegen die bröckelnde Wand des Fabrikgebäudes und horchte auf. Nichts als abendliche Stille. Ihr Blick schweifte über die meterhohen Schornsteine, die zwischen den Büschen emporragten und sich wie stumme Zinnsoldaten aneinanderreihten. Von Roggendorf fehlte jede Spur. Alarmiert blickte Lena sich um und hastete entlang des unbeleuchteten Fabrikgebäudes über den Hof, als an der Ecke zur Eingangshalle urplötzlich der Motor eines Wagens

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