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Opfertod

Opfertod

Titel: Opfertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
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legen, wenn sie dasselbe von Ariane Wirt verlangte. »Tamara und ich, wir sind damals nach dem Verkehrsunfall unserer Eltern bei verschiedenen Pflegefamilien aufgewachsen.« Während die Erinnerungen an das Szenario am Unfallort unwillkürlich in ihr hochkamen, kam es ihr zunehmend so vor, als ob es in der Küche plötzlich bedrückend eng wurde. Die Wände schienen geradewegs auf sie zuzukommen, und Lena befahl sich, sich zusammenzureißen und gegen den Reflex anzukämpfen, ins Badezimmer zu hasten und sich das Blut von ihren Händen zu scheuern, das seit damals daran klebte. Lena umfasste ihre Teetasse, um sich an etwas festzuhalten. »Aber das ist lange her«, sagte sie mehr zu ihrer eigenen Beruhigung. Als sie Bellings überraschten Blick bemerkte, richtete sie sich auf dem Stuhl auf und zwang sich, die Erinnerung an damals auszublenden. Sie sah Ariane Wirt aus schmalen Augen an. »Was Suzanna zugestoßen ist, geht mir wirklich sehr nahe«, kam sie zum Thema zurück. »Glauben Sie mir, ich bin ebenso daran interessiert, dass Suzannas Mörder seine gerechte Strafe bekommt, wie Sie. Aber da wir nicht ausschließen können, dass Suzanna ihren Mörder gekannt hat, müssen wir mehr über Suzannas Gewohnheiten und ihr näheres Umfeld erfahren.«
    Plötzlich ging Ariane Wirt hinüber zur Spüle, drehte den Hahn auf und machte sich daran, den restlichen Abwasch zu erledigen. Eine klassische Übersprunghandlung , dachte Lenz und sah erneut zu Belling.
    »Frau Wirt, Suzanna wurde ermordet – und wer immer das getan hat, muss gewusst haben, dass sie regelmäßig in den Niedermoorwiesen am Tegeler Fließ joggen gegangen ist«, redete Belling auf sie ein.
    Wirt spülte weiter Teller ab. »Als wir damals nach Berlin gezogen sind, hat Suzanna sich schwer damit getan, Anschluss zu finden«, erklärte sie, den Rücken zugewandt. »Sie hat sich mehr und mehr zurückgezogen, erst recht in letzter Zeit, ich kam überhaupt nicht mehr an meine Tochter heran.«
    Belling nickte verständnisvoll. Er konnte ein Lied davon singen.
    »Dürften wir uns einmal in Suzannas Zimmer umsehen?«
    »Das halte ich für keine gute Idee.« Als Ariane Wirt sich umdrehte, liefen ihr die Tränen über die Wangen. Sie legte den Spüllappen aus der Hand und schüttelte vehement den Kopf. »Vorerst bleibt alles so, wie es ist, und ich möchte, dass niemand diesen Raum betritt.«
    Für einen Moment war es still. Lena spürte eine nervöse Unruhe in sich aufsteigen. So kamen sie nicht weiter. Bellings Handy klingelte. Sich räuspernd, zog er sein Telefon aus der Tasche seines Jacketts. Nach einem Blick auf die Nummer des Anrufers sah er zu Lena auf. »Entschuldigung.« Er nahm das Gespräch an und lief mit großen Schritten zur Tür hinaus. Lena schaute ihm kurz nach und schenkte Wirt ein höfliches Lächeln, sobald Belling verschwunden war. »Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
    Wirt legte eine bedauernde Miene auf. »Ich wünschte, ich hätte Ihnen behilflich sein können.«
    Lena nickte nur, bemüht, ihre Enttäuschung zu verbergen. Sie hatte sich wahrhaftig mehr von ihrem Besuch bei Ariane Wirt versprochen, dachte sie, als kurze Zeit später Wulf Belling mit dem Handy am Ohr in die Küche zurückkehrte.
    »Ja, natürlich, hast was gut bei mir«, beendete er sein Telefonat und warf Lena einen Blick zu, der nichts Gutes verhieß.
    Sie kapierte sofort, was los war.
    »Falls Ihnen doch noch etwas einfallen sollte, rufen Sie mich bitte an«, bat sie Wirt und griff rasch ihre Handtasche, die sie am Stuhlrücken aufgehängt hatte.
    »Das mache ich«, versprach Wirt und brachte Lena und Belling zur Tür.
    Lena nickte ihr noch einmal freundlich zu, ehe sie Belling hinterhereilte.

37
Rund zwanzig Minuten später
in Berlin-Neukölln
    »Früher war das hier eine Seifenfabrik, in den unteren Etagen sollen sogar noch alte Fließbänder herumstehen«, erklärte Wulf Belling, als sie über das heruntergekommene Treppenhaus im obersten Stockwerk des alten Industriegebäudes angelangt waren, in dem der Gestank von Taubendreck, verrotteten Abfällen und Urin stand. Vor ihnen lag eine lichtlose Etage. Nur hier und da drang vereinzelt die Abendsonne durch die Ritzen in den Brettern der zugenagelten Fenster.
    »Nach Angaben meines ehemaligen Kollegen wurde die Tote bereits am Vormittag hier aufgefunden, so gegen zehn. Die Ergebnisse der Obduktion lassen allerdings noch auf sich warten. Gleiches gilt für die Spurenauswertung der Kriminaltechniker.«
    Lena folgte

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