Opferzahl: Kriminalroman
einen furchterregenden Keller zu verfrachten, sie dort mit Handschellen anzuketten und noch weiterzugehen. Erpressung gegen Erpressung.
Und dann erwies sich eben jene Johanna Larsson, die Tochter des Waffenhändlers und Drogenschmugglers Per Naberius, als die Frau, die hinter dem feministischen Coup in der U-Bahn steckt.
Trauerflor, mit der ich gechattet habe.
Pfefferminza in dem Quartett mit den Mittelnamen von Pippi Langstrumpf.
Ein nahezu göttlicher Zufall.
Oder?
Ist es überhaupt Zufall?
Ich habe inzwischen gelernt, über das Schreiben zum Denken zu kommen, wie sonderbar. Selbst hier, sogar jetzt, muss ich schreiben, um Ordnung in das Chaos zu bringen. Ich frage mich, ob das für einen Polizisten ein gutes Zeichen ist.
Herrgott.
Ja, Gott. Sich vorzustellen, dass du hier tatsächlich mitgemischt hast.
Sich vorzustellen, es wäre tatsächlich so.
Per Naberius, der Waffenhändler, der auf Mikroelektronik für Waffensysteme spezialisiert ist, hatte in seinem Waffenlager eine Spezialwaffe in Mikroformat. Sie wird dem Opfer unter die Haut implantiert und kann jederzeit und an jedem Ort per Fernsteuerung ausgelöst werden, woraufhin auf der Stelle Gift in den Blutkreislauf des Opfers freigesetzt wird. Irgendwie hat Naberius herausgefunden, was genau alles die Säpo von ihm beschlagnahmt hatte. Er sah, dass eine Sache fehlte, eine Sache, die ich ganz einfach in dem Chaos, das entstand, als die Säpo den Fall übernahm, vergessen hatte. Er verband die Sache mit mir, und der Gegenstand war so wichtig, so fundamental, dass er sofort schweres Geschütz einsetzte.
Es habe sich nur wie ein Wespenstich angefühlt, sagte Lina, meine wunderbare, schöne kleine Tochter. Das Nesthäkchen. Sie hatte in der Schule einen Wespenstich bekommen, als sie die Hand in einen Busch steckte. Es hatte sich eine Schwellung unmittelbar oberhalb des Handgelenks gebildet. Eine Beule. Ein klassischer Wespenstich.
Bis der Brief kam. Da war der Stich nicht mehr im Geringsten klassisch.
Der Brief lautete:
»Ihrer Tochter Lina ist kürzlich ein hoch komplizierter Mechanismus in den linken Arm implantiert worden. Sie hat es für einen Wespenstich gehalten, was auch so beabsichtigt war. Dieser Mechanismus kann auf zwei Arten ausgelöst werden: entweder durch einen Fernauslöser - der sich gerade in meiner Hand befindet - oder dadurch, dass man versucht, ihn chirurgisch zu entfernen. Tun Sie das also nicht. Sprechen Sie auch nicht mit der Polizei. Sie wissen, was ich von Ihnen will, und Sie brauchen es mir nur zu geben, dann erhalten Sie auch den Fernauslöser, mit dem man den Mechanismus problemlos unwirksam machen kann. Tauschen wir ganz einfach.«
Und jetzt sitze ich hier und halte das, was er wollte, in der Hand.
Einen ganz normalen gelben Merkzettel.
Darauf stehen eine Reihe Buchstaben, Zeichen und Ziffern. Es ist ein undurchdringlicher Code, und ich habe in den letzten Tagen natürlich keine Möglichkeit gehabt, zu versuchen, ihn zu entschlüsseln.
In dieser Zeit habe ich merkwürdig klar gedacht und agiert. Die Bedrohung hat mich eher gestärkt. Ich war mindestens ebenso schnell und effizient wie sonst. Ich frage mich, ob das nicht ein bisschen krank ist. Bin ich ein bisschen krank?
Zufall?
Göttlich oder nicht - aber dies ist verdammt noch mal kein Zufall. Per Naberius. Ja, zum Teufel. Du Teufel.
Der Mechanismus sitzt noch immer in Linas Arm. Und der Fernauslöser liegt noch immer in Naberius' Hand. Es ist die Hölle.
Oder Gott. Hilf mir weiter. Wenn du mir bisher geholfen hast, hilf mir weiter. Durch deine Hilfe ist es mir erspart geblieben, zum Verbrecher zu werden und einen unschuldigen Menschen zu misshandeln. Wenn es dich doch gegen jede Wahrscheinlichkeit gäbe.
Dein nächster Schritt muss folgerichtig sein, meine Tochter zu retten.
Die arme kleine Lina.
Es gibt eine Antwort. Es gibt eine Lösung.
Wo ist sie? Sie ist mir verborgen, aber es gibt sie.
Wer hat das gesagt?
Alle Wege führen zur Säpo.
*
»Was schreibst du, Arto?«, fragte Kerstin Holm.
Arto Söderstedt richtete sich auf und sah sich in dem leeren Raum um.
»Notizen«, sagte er. »Ich versuche, Ordnung in meinem Gehirn zu schaffen. Aber jetzt lösche ich sie. Alle.« Und das tat er. Unwiderruflich.
»Und, hast du Ordnung ins Gehirn gebracht?«, fragte Kerstin Holm.
»Ein bisschen«, sagte er.
»Okay, ich wollte nur sagen, dass wir uns in einer Stunde in der Kampfleitzentrale versammeln. Um 19.30
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