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Opferzahl: Kriminalroman

Opferzahl: Kriminalroman

Titel: Opferzahl: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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es war wohl einfach zu spät, um daran etwas zu ändern. Er war stramm geboren und würde stramm sterben.

    Mit gewisser Mühe brachte er seine langen Beine unter dem Tisch unter und faltete seinen Körper zusammen. Der Mann ihm gegenüber sagte:

    »Wächst du immer noch?«

    »Hör auf«, sagte Jon Anderson, und er sagte es stramm.

    »Aber ich könnte darauf schwören, dass du jedes Mal, wenn ich dich treffe, größer aussiehst. Dabei sehe ich dich viel zu selten. Erinnerst du dich an unseren Abend in Athen? Ich krame ihn manchmal aus der Erinnerung und habe meinen Spaß.«

    »Ich erinnere mich«, sagte Jon, und vermutlich breitete sich eine Art von Lächeln auf seinem Gesicht aus, denn der Mann ihm gegenüber sagte:

    »So sollst du aussehen, ja. Das ist schon viel besser. Jetzt erkenne ich dich wieder. Möchtest du einen Frappe? Um der alten Zeiten willen?«

    Der Mann klopfte mit seinem Glas leicht auf den Tisch. Es war halb gefüllt mit einer hellbraunen Flüssigkeit und schmelzenden Eiswürfeln.

    Jon Anderson nickte, sah auf die Uhr und sagte:

    »Hast du lange gewartet, Findus?«

    Letzteres brachte er nur mit einer gewissen Selbstüberwindung über die Lippen. Er war grundsätzlich kein großer Freund von Kosenamen, und insbesondere Findus war ein ungewöhnlich dämlicher Kosename.

    »Kein Problem«, sagte Findus. »Ich bin früh gekommen. Das muss man, wenn man mit der Polizei verabredet ist.«

    Sie bestellten noch einen Eiskaffee und saßen eine Weile da und sahen sich gegenseitig an. Schließlich sagte Findus:

    »Ich verstehe, dass du dich nicht mehr mit mir treffen willst, Jon. Es hat eine Weile gedauert, aber jetzt verstehe ich es.«

    »Das hatte nichts mit dir zu tun«, erwiderte Jon Anderson. »Eher mit mir. Ich musste anders leben.«

    »Ach, es ist doch völlig klar, dass es an mir lag. Die Menschen wollen nichts mit mir zu tun haben, Jon. Ich fange an, es zu verstehen. Ich habe eine Therapie begonnen.«

    »Das klingt gut«, sagte Jon Anderson vorsichtig.

    »Nein«, schrie Findus plötzlich. »Es klingt überhaupt nicht gut. Es ist Scheiße.«

    Dann lachte er laut und sah Jon Anderson mit festem Blick an:

    »Warum wolltest du mich treffen, Jon?« Anderson blinzelte ein paarmal und zog ein Foto aus der Innentasche seiner Jacke. Er hielt es Findus hin, der es nahm und genau betrachtete. Dann ließ er es auf den Tisch fallen.

    »Und?«, fragte er.

    »Dieser Kapuzenpulli«, sagte Anderson und nickte in Richtung des Fotos. »Grüngelbgestreift, von Abercrombie and Fitch. Erkennst du den wieder?«

    »Keine Ahnung«, sagte Findus, und sein Blick wurde scharf. »Bist du hinter mir her, Jon Anderson? Geht es darum?«

    »Nein«, sagte Anderson ruhig. »Überhaupt nicht. Es geht nicht um eure gestohlenen Container. Es geht um das, was darin war.«

    »Ich habe dazu nichts zu sagen«, entgegnete Findus mit bockiger Miene.

    »Kannst du dich erinnern, wie diese Jacken verkauft wurden?«, fragte Anderson mit gleichbleibender Ruhe. »An diesen Ausverkauf?«

    »An diesen Ausverkauf«, sagte Findus und beugte sich vor. »Ja, ich erinnere mich an diesen Ausverkauf, als du die Frechheit hattest, mit einem Vierzehnjährigen aufzukreuzen. Pfui Teufel, sage ich. Und jetzt hast du die Frechheit, herzukommen und mir die Scheiße in den Arsch zu stopfen. Du bist gemein, Jon Anderson. Gemein.«

    Es war klar, dass das kommen musste. Er war vorbereitet. Trotzdem tat es weh.

    »Er war zwanzig«, sagte er.

    »Behauptete er, ja«, schrie Findus. »Du hast das Gesetz übertreten, Jon Anderson. Du hast einen Minderjährigen gefickt.«

    Einige vereinzelte Blicke richteten sich auf ihren Tisch. Aber Anderson erkannte die Blicke wieder. Es waren Blicke, die Findus wiedererkannten. Lächelnde Blicke. Milde lächelnde Blicke.

    »Und du hast eine Szene gemacht, die in die Weltgeschichte eingegangen ist«, sagte Jon Anderson.

    Da brach Findus in Lachen aus. »Die war doch gut, oder?«, brüllte er. »Ein Klassiker ihres Genres«, sagte Anderson und lächelte.

    Es war eine Weile still. Ihre Blicke suchten sich.

    Und dann kam die Wärme.

    Endlich.

    »Was genau willst du, Jon?«, fragte Findus nach einer Weile. »Sind diese Jacken jemals irgendwo anders in Schweden verkauft worden?«

    »Meines Wissens nicht.«

    »Bei dem Ausverkauf gab es wie gesagt ein kleines Chaos, aber wenn ich ...«

    »Kein Chaos«, unterbrach ihn Findus mit einem Lächeln. »Es war eine Szene.«

    »Von enormen Ausmaßen«, sagte Anderson

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