Opferzahl: Kriminalroman
war offenbar eine private Homepage, die auf Schwedisch einen Autor des vierzehnten Jahrhunderts mit Namen Ibn Khaldun würdigte. Er war 1332 in einer bekannten spanisch-arabischen Familie in Tunis geboren worden. Als politischer Beamter bekleidete er verschiedene hohe Posten in der Verwaltung, an Gerichten und Universitäten in Nordwestafrika, Spanien und dem Mittleren Osten. Dann wurde er des »politischen Sumpfes« überdrüssig und machte sich stattdessen 1377 daran, in einem Wüstenfort in der Sahara eine breit angelegte Weltgeschichte zu schreiben. Sein Wissen über Geschichte und Gegenwart war enorm, und nach ungefähr einem Jahr intensiver schriftstellerischer Arbeit kehrte er ins öffentliche Leben zurück. Er bearbeitete jedoch in den Jahren bis zu seinem Tod im Jahr 1406 in Kairo sein immer monumentaleres Werk weiter, nahm Berichtigungen und Änderungen und Ergänzungen vor. Es wurde indessen nie mehr als eine »Einführung zur Weltgeschichte«, wie der Untertitel zu al-Muqaddima (was eben »Einführung« bedeutet) oder Prolegomena (wie es auch genannt wurde, weil die griechische und die muslimische intellektuelle Tradition sich in den Jahrhunderten nach Mohammed ständig gegenseitig befruchteten) lautet.
Der äußerst sorgfältig gestalteten Homepage zufolge versuchte Ibn Khaldun einen Gesamtüberblick über das gesammelte Wissen der Menschheit zu geben. Er behandelte die Formen und Triebkräfte gesellschaftlicher Organisation, den Zweck und die Funktionen der Regime, die Rolle der Arbeitskraft und des Geldes, die Künste, das Handwerk, die Wissenschaften und die Religionen. Das Buch al-Muqaddima war ganz einfach eine enzyklopädische Zusammenfassung der historischen Errungenschaften des Islam am Ende des vierzehnten Jahrhunderts - als es im etwas primitiveren Europa kaum eine Entsprechung dazu gab.
Ein Mann namens Ingvar Rydberg hatte sich in den Achtzigerjahren vorgenommen, das mächtige Werk ins Schwedische zu übersetzen. Im Jahr 1989 wurde es von dem kleinen Verlag Alhambra in Lund herausgebracht, sechshundertfünfzig dicht bedruckte Seiten mit dem Titel Prolegomena.
Unter Kapitelüberschriften wie »Der Übergang einer Dynastie vom Wüstenleben zur sesshaften Kultur«, »Die religiösen Funktionen des Kalifats« und »Die Preise in den Städten« fand sich auch die Überschrift »Der Krieg und die Art der Kriegführung bei verschiedenen Nationen«. In diesem Kapitel wird die kluge Kriegführung diskutiert.
Die umfangreiche Homepage zitierte Ibn Khalduns Appell: »Lasst uns an die Ermahnungen und die Aufmunterung denken, die Ali seinen Männern am Tag der Schlacht bei Siffin mit auf den Weg gab!« Und dann folgten die Worte des großen Kriegskünstlers Ali:
»Richtet eure Linien aus wie die eines massiven Gebäudes.
Stellt die bewaffneten Männer ganz nach vorn und die unbewaffneten nach hinten.
Beißt die Zähne zusammen, damit Schwertschläge euch nicht so leicht Kopfverletzungen beibringen.
Wickelt Lumpen um eure Speerspitzen, damit sie ihre Schärfe behalten.
Senkt den Blick. Das schärft den Sinn und gibt dem Herzen größeren Frieden.
Schweigt. Das vertreibt den Wankelmut besser und ist würdiger.
Haltet eure Fahnen nicht gesenkt und entfernt sie nicht.
Gebt sie nur in die Hände der Tapfersten.
Glaube und Ausdauer bringen am Ende den Sieg.«
»Da haben wir es ja«, sagte Sara Svenhagen atemlos. »Die ganze Litanei für Siffins heilige Krieger.«
»Es geht um Kriegskunst«, sagte Lena Lindberg ebenso atemlos.
Sie sahen sich an und erkannten, wie sich die Gedanken im Kopf der anderen überschlugen.
»Fokussierung, Konzentration, Ausdauer, Schweigen«, sagte Lena. »Die Voraussetzungen für den Sieg.«
»Oder für Polizeiarbeit, wenn man so will.«
»Stimmt.«
»Er hat dieses Buch gelesen«, sagte Sara und schlug mit dem Knöchel an den Bildschirm. »Woher hat er es?«
»Buchhandlungen, Bibliotheken«, sagte Lena. »Aber er kann ja genauso gut das arabische Original gehabt haben, und dann werden wir ihn nicht finden.«
»Also gehen wir davon aus, dass er diese Übersetzung hatte«, sagte Sara. »Und die kann es nicht an allzu vielen Stellen geben.«
»Wir könnten beim Verlag nachfragen«, sagte Lena. »So viele Exemplare können sie in letzter Zeit nicht verkauft haben. Wenn es 1989 erschienen ist.«
Sara Svenhagen tippte etwas auf der Tastatur und sagte:
»Es gibt offenbar eine zweite Auflage.«
»Also ist es doch ziemlich verbreitet«, sagte
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