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Opferzahl: Kriminalroman

Opferzahl: Kriminalroman

Titel: Opferzahl: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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mit fast genau dem gleichen Lächeln. »Aber wenn ich mich recht erinnere, waren diese Jacken schon vorher ausverkauft. Stimmt das?«

    »Ja«, sagte Findus. »Die wurden beim VIP-Verkauf am Abend zuvor angeboten. Da ging schon viel weg. Wir haben damals eine Menge Kohle gemacht. Heutzutage kommt man nicht mehr so leicht an Container heran. Neue, stressige Zollbestimmungen.«

    »Das will ich nicht wissen«, sagte Jon Anderson und schüttelte den Kopf. »Was ich wissen will, ist, ob dein Gedächtnis funktioniert.«

    »Ich habe ein legendäres Gedächtnis«, sagte Findus stolz, »und das weißt du sehr gut.«

    »Wer hat eine solche Jacke gekauft? Erkennst du ihn wieder?«

    Findus nahm das Foto und betrachtete es genau.

    »Man sieht das Gesicht nicht«, sagte er.

    »Du siehst vieles anderes.«

    »So überlebt man in meiner Branche.«

    »Ich weiß«, sagte Jon Anderson.

    »Kann ich darauf zurückkommen?«, fragte Findus und ließ das Foto wieder auf den Tisch fallen. »Was hast du damit gemeint, ob mein Gedächtnis funktioniert?«

    »Kannst du dich erinnern, wer eine solche Jacke gekauft hat? Es ist mehr als ein halbes Jahr her.«

    »Was, glaubst du, geht gerade in diesem Kopf vor?«, entgegnete Findus und klopfte sich auf den kurz geschnittenen, blau gefärbten Schädel.

    »Wie viele Jacken gab es?«

    »Zehn vielleicht. Höchstens. Und fünf Leute sind mir schon eingefallen, die eine gekauft haben. Geht es hier um Kriminelle?«

    »Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit«, sagte Jon Anderson.

    »Dann ist es keiner von den fünfen«, meinte Findus bestimmt und knallte das leere Frappeglas auf den Tisch. »Die sind eher Ostermalms-Schwule. Jetzt fällt mir ein sechster ein. Schauspieler am Dramaten.«

    »Four to go«, sagte Jon Anderson.

    Findus hatte plötzlich einen trüben Blick.

    »Was ist dir gerade eingefallen?«, fragte Anderson.

    Findus winkte abwehrend. Sein Blick wurde noch trüber. Nach einem undefinierbaren Zeitraum sagte er:

    »Ein Türsteher«, sagte er. »Aber ich erinnere mich nicht, wer es war.«

    »Türsteher?«

    »Der Türsteher vom Riehe«, nickte Findus, während sich der Schleier über seinem Blick langsam verflüchtigte. »Ja, ja. So war es.«

    Jon Anderson ließ ihm Zeit. Wartete einfach. Dann nahm Findus das Foto wieder in die Hand, drehte und wendete es.

    »Definitiv«, sagte er und sah alles andere als definitiv aus.

    Anderson überwand sich selbst und wartete weiter.

    »Er hatte irgendwie von der Lieferung Wind bekommen«, sagte Findus. »Der Teufel weiß wie. Er verschaffte sich Zugang zu dem VIP-Verkauf. Sonst, drohte er, würde er es den Bullen stecken.«

    Anderson fixierte Findus. Es gab kein Anzeichen dafür, dass er fabulierte. Er wusste, wie es aussah, wenn Findus fabulierte. Wahrhaftig.

    »Jonte«, sagte Findus und schlug mit der Faust auf den Tisch.

    »Jonte?«, sagte Jon Anderson.

    »Yes, indeed«, sagte Findus bestimmt. »Er ist der Mann auf dem Bild.«

    »Woher weißt du das?«

    »Meine Berufsgeheimnisse muss ich für mich behalten.«

    »Schwede?«

    »So schwedisch, wie man sein kann, ohne Wikinger zu sein«, sagte Findus selbstgefällig. »Was weißt du noch über ihn?«

    »Überhaupt nichts«, sagte Findus. »Nur, dass er eine Zeit lang Stress machte und dann verschwand. Wie du.« Sie fixierten einander eine Weile. Dann sagte Findus: »Nein.«

    »Nein?«

    »Nein, Jon Anderson. Du hast keinen Stress gemacht. Du warst gut. Ich erinnere mich, wie eifrig du warst in Athen. Genau, eifrig. Ich - habe dich geliebt.«

    Jon Anderson schloss für ein paar Sekunden die Augen. Als er sie wieder öffnete, war Findus verschwunden. Er sah sich im Populären Sibirien um. Keine Spur von ihm. Nur sein leeres Frappeglas.

    Jon Anderson berührte es mit der äußersten Fingerspitze. Dann schob er den Verlobungsring wieder auf seinen Ringfinger, holte sein Handy heraus und wählte eine Nummer.

    »Jorge?«, sagte er ins Telefon. »Ich glaube, ich habe unseren Mann.«

     

    Jorge Chavez saß in seinem Zimmer und war wütend. Er hatte den ganzen gestrigen Nachmittag und diesen Samstagvormittag vor seinem Computer gesessen. Und nicht nur vor dem Computer - er hatte vor dem gesammelten Gedächtnis des Polizeikorps gesessen. Vor dem Polizeiregister. Diesem schwer handhabbaren Gesamtkorpus merkwürdig archivierter und seltsam geschriebener Berichte, die irgendwie zusammenpassen sollten. Die etwas Ganzes bilden sollten, eine zugängliche Ganzheit. Es war nicht ganz

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