Opferzahl: Kriminalroman
darauf, dass der Diebstahl nicht angezeigt und die Nummer nicht abgeschaltet wird, und dann beliefern sie sämtliche Ganoven im Süden mit Handys, die man nicht orten kann. Sehr smart. Wer ein Handy haben will, das man nicht orten kann, wendet sich an sie.«
»Ich selbst habe zurzeit nur Kleinkram auf dem Tisch«, hatte Chavez gestöhnt. »Ich sehne mich nach einem echten Kracher.«
»Das kriegt ihr doch sonst immer hin«, lachte Äkesson und verschwand.
Knapp einen Monat später hatte es den Kracher tatsächlich gegeben. Und Bengt Äkesson war in den Fall hineingezogen und in dessen Verlauf durch Schüsse in die Brust schwer verletzt worden. Seitdem lag er im Karolinska im Koma. Und war unfähig, mit der Außenwelt zu kommunizieren.
Und der Fall, den er gerade hatte knacken wollen, war im Sande verlaufen. Die paar Schüsse eines Irren in einem Cafe in der Hornsgata hatten, ohne dass die Bande das Geringste davon ahnte, ihre gesamte kriminelle Aktivität gerettet.
So kann es gehen.
Das Telefon klingelte. Chavez antwortete zerstreut. Im Hörer tönte es:
»Jorge? Ich glaube, ich habe unseren Mann.«
»Jon«, sagte Chavez. »Ich auch.«
»Was?«, fragte Jon Andersons Stimme. »Ich habe unseren Handykäufer. Wen hast du?«
»Bengt Äkesson«, antwortete Chavez dumpf. »You're not making any sense«, sagte Anderson. »Später. Erzähl jetzt.«
»Es scheint, dass der Mann, der das Handy gekauft hat, mit dem die heiligen Reiter von Siffin sich zu dem Bombenattentat bekannt haben, ein ehemaliger Türsteher des Restaurants Riehe namens Jonte ist.«
»Jonte?«
»Sorry, so scheint es. Ein echter blaugelber Schwede, offenbar.«
»Sorry, muss ich wohl sagen«, meinte Chavez. »Dein Jonte ist vermutlich völlig irrelevant. Ich glaube, er ist einer Bande zum Opfer gefallen, die ihn direkt vor dem Computergroßmarkt ComShop am Drottningsholmsväg ausgeraubt hat.«
Eine Weile war es still im Hörer. Dann sagte Jon Anderson:
»Aber dann haben wir sie ja.«
»Wie meinst du?«, fragte Chavez.
»Auf dem Film«, sagte Anderson.
Diesmal war Chavez stumm.
»Du bist ein Genie«, sagte er schließlich.
»Schau dir den Film an, ob du ein paar gute Gesichter findest. Ich werde jedenfalls Jonte überprüfen. Der Grund, warum er den Diebstahl nicht angezeigt hat, kann ja der sein, dass er die Täter kannte und Angst vor ihnen hatte.«
»Gut«, sagte Chavez. »Ich höre von Dir, wenn du was weißt.«
»Gleichfalls«, gab Anderson zurück.
Chavez legte auf und begann sofort, in den Dateien des Computers zu suchen. Natürlich war es so. Natürlich waren die Leute, die hinter Jonte mit der Kapuzenjacke in der Schlange im Computergroßmarkt Comshop standen, auch diejenigen, die ihn beraubt hatten.
Er lud die Filmsequenz auf den Bildschirm.
Kasse 3. Die Uhr am unteren Rand des Bildes zeigte 17.11.04. Die Kassiererin mit den vielen Piercings schickte einen alten Mann weg, der mit der Faust drohte und abzog. Es war eine Weile still. Die Kassiererin justierte einen ihrer Wangenringe, der offenbar Schwierigkeiten machte, und leckte sich dann den Finger ab. Die Uhr zeigte 17.11.47, als eine Gestalt in grüngelb gestreiftem Pulli mit der Kapuze über dem Kopf im Bild auftauchte. Sie legte ein Handy neben der Kasse auf den Ladentisch und bezahlte. Die Kassiererin hielt die Fünfhundertkronenscheine gegen das Licht, tippte den Betrag ein, gab eine Quittung und ein bisschen Wechselgeld zurück und legte das Handy in einen Plastikbeutel, den sie arrogant hinüberreichte, um sich demonstrativ dem nächsten Kunden zuzuwenden.
An dieser Stelle hielt Chavez das Bild an. Die Kassiererin wandte sich einem jungen Mann zu, der ihrem Geschmack offenbar sehr viel mehr entsprach. Chavez betrachtete das Gesicht. Davon würden sich wohl brauchbare Bilder machen lassen.
Er setzte den Film wieder in Gang. Der junge Mann war schwarzhaarig und ziemlich klein. Tatsache war, dass er in gewisser Weise an Chavez selbst erinnerte, wie er vor zwanzig Jahren ausgesehen hatte.
Er fühlte sich alt.
Der Kerl zeigte auf etwas hinter dem Rücken der Kassiererin. Und während sie sich umdrehte, verschwand er. Er wandte das Gesicht zur Kamera und folgte dem vermutlichen Jonte. An dieser Stelle hielt Chavez den Film wieder an.
Es war ein ganz ausgezeichnetes Bild direkt von vorn, das Bild eines Mitglieds der Bande, gegen die Bengt Äkesson ermittelt hatte.
Chavez druckte es aus. Der Drucker drüben am Fenster begann zu rattern.
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