Opferzeit: Thriller (German Edition)
einer Einigung kommen können«, sage ich.
Er denkt ein paar Sekunden darüber nach. »Okay«, sagt er, und mir wird klar, dass ich gerade etwas gesagt habe, das er wirklich hören wollte. »Die Sache läuft folgendermaßen«, sagt er, und das hat er eben schon mal gesagt. Offensichtlich mag er diese Redewendung. »Du wirst sie zurückrufen, und das nächste Sandwich, das ich dir bringe, isst du, ohne nachzuschauen, was drauf ist. Abgemacht?«
»Abgemacht«, sage ich.
»Jetzt mal langsam, Alter. Ich mein’s ernst. Wenn du dich nicht daran hältst, wirst du dafür bezahlen. Du hast keine Ahnung, was ich alles mit dir anstellen kann.«
»Abgemacht«, sage ich.
Er lächelt. Ein breites, kaltes Lächeln, ohne dass die Augen mitlachen. »Als du hergekommen bist, Joe, weißt du noch, wie du unter Beobachtung standest, weil du selbstmordgefährdet warst?«
Ich erinnere mich. Das hat man auch mit Caleb Cole gemacht, allerdings war ich nicht selbstmordgefährdet. Ich war wütend und frustriert, aber wenn man tot ist, kann man das nicht wieder in Ordnung bringen.
»Damals hast du mich darum gebeten, dass ich dich zu den normalen Häftlingen stecke. Erinnerst du dich?«
»Ich erinnere mich«, sage ich, aber das ist nichts, worüber ich nachdenke. Ich war nicht nur wütend und frustriert, sondern auch verwirrt.
»Du dachtest, du würdest ein schnelles Ende finden, wenn ich dich zu ihnen stecke. Du dachtest, das wäre, als würde man ein Heftpflaster abziehen – es ginge ganz schnell –, und ich gab dir mit dem Pflaster recht, allerdings, sagte ich, sei es eher so, als würde man es abziehen, während man unter der Dusche vergewaltigt und mit einer angespitzten Zahnbürste bedroht wird.«
»Ich erinnere mich, habe ich gesagt«, erkläre ich ihm.
»Aber inzwischen geht es dir besser, oder, Joe? Denn du hattest Zeit, zur Ruhe zu kommen, und jetzt steht der Prozess vor der Tür, und du glaubst, die Jury würde aus irgendeinem Grund aus Leuten bestehen, die so weich in der Birne sind, dass sie dich freisprechen werden. Jetzt willst du leben, nicht wahr, Joe?«
»Ja.«
»Dann lass mich eins klarstellen. Wenn du das Sandwich, das ich dir bringe, nicht isst«, sagt er, »dann wird all das passieren, was ich dir erzählt habe. Und zwar nicht zu knapp. Jeden Tag, den sie dich vom Prozess zurückbringen. Solltest du es fertigbringen, dich zu beschweren, dann wird es zweimal täglich passieren. Darüber solltest du dir klar sein, Joe, bevor du diesen Anruf machst.«
Ich denke darüber nach. Wenn alles gut läuft, werde ich morgen hier raus sein. Es dürfte Tage oder Wochen dauern, bevor mir Adam dieses Sandwich bringt. In der Zwischenzeit kann alles Mögliche passieren. Vielleicht stirbt Adam ja. Vielleicht bin ich auch schon auf freiem Fuß. Oder es explodiert die Atombombe, die ich meinem Anwalt gegenüber erwähnt habe. Ich weiß nur, dass ich jetzt in diesem Moment diesen Anruf machen muss. Das ist alles, was zählt.
»Hab’s verstanden«, sage ich. »Aber es muss abgehoben werden, und sollte ich unterbrochen werden, darf ich zurückrufen. Ich rede von einem richtigen Telefonat. Wenn ich es klingeln lasse und niemand drangeht, dann gilt unsere Abmachung nicht.«
Adam nickt langsam. »Ich bin ja kein Unmensch«, sagt er. »Damit kann ich leben.«
Ich wende ihm den Rücken zu und rufe erneut meine Mom an. Es dauert eine Minute, bis sie abhebt. So als wäre sie in der Zeit, in der ich nicht am Apparat war, im Wohnzimmer spazieren gegangen und hätte sich verlaufen.
»Hallo?«, sagt sie.
»Mom, ich bin’s.«
»Joe?«
»Ja. Natürlich. Hör zu, Mom, ich möchte, dass du …«
»Es ist Joe«, ruft sie Walt zu.
»Joe? Frag ihn, wie es ihm geht.«
»Joe, wie geht es dir?«
»Mir geht’s bestens«, sage ich. »Hör zu, Mom, ich möchte, dass du mir einen Gefallen tust.«
»Natürlich, Joe. Worum geht’s?«
»Ruft er wegen der Hochzeit an?«, fragt Walt.
»Rufst du deswegen an, Joe? Um uns zu sagen, wie sehr du dich darauf freust?«
»Ich habe erst vor zwei Minuten angerufen, um euch das zu sagen.«
»Ich weiß, Joe. Ich bin ja kein Idiot.«
»Und was ist mit ihm?«, fragt Walt.
»Ob er ein Idiot ist?«, sagt Mom zu Walt.
»Nein, ob er wegen der Hochzeit anruft?«
»Ich weiß nicht«, sagt sie zu ihm. »Er antwortet mir nicht.«
Ich senke meine Stimme. »Ich rufe nicht schon wieder wegen der Hochzeit an«, erkläre ich ihr. »Ich möchte, dass du meine Freundin anrufst.«
»Deine Freundin? Warum sollte
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