Opferzeit: Thriller (German Edition)
komisch.
»Sag einfach genau, was ich dir gesagt habe«, erkläre ich Mom. »Dass ich die Nachricht bekommen habe und dass es morgen passiert.«
»Das ergibt keinen Sinn«, sagt sie.
»Für meine Freundin schon.«
»Okay, Joe, aber du machst die Sache ganz schön kompliziert«, sagt sie, und ich kann mir vorstellen, dass sie und mein Anwalt sich bestimmt großartig verstehen werden, wenn er sie anruft. »Ich werde gleich morgen mit ihr sprechen«, sagt sie.
»Nein. Ruf sie sofort an, Mom. Sollte sie nicht zu Hause sein und du erreichst sie erst morgen, ändert sich die Nachricht entsprechend, okay? Halt, ich korrigiere. Sag ihr, dass es am Samstag passiert«, sage ich, denn wenn sie sie morgen anruft und morgen sagt, dann hieße das Sonntag. »Verstanden? Es ist sehr wichtig. Sag ihr, dass ich ihre Nachricht erhalten habe und dass es am Samstag passiert. Diesen Samstag. Den Samstag morgen.«
»Ich bin kein Idiot, Joe.«
»Ich weiß, Mom.«
»Warum behandelst du mich dann manchmal wie einen?«
»Meine Schuld«, sage ich.
»Das ist mir klar. Warum sollte ich was anderes ver muten?«
»Rufst du sie jetzt also an?«
»Okay, Joe.«
»Ich liebe …«, fange ich an, aber sie hat bereits aufgelegt. »Dich.«
Ich lege den Hörer auf. Adam lächelt mich an. Er muss nicht sagen, wie sehr er die Sache gleich genießen wird, ich sehe es ihm an. Er bringt mich zurück in meine Zelle. Das Sandwich liegt dort, wo ich es hingeworfen habe, auf dem Boden gegenüber dem Bett, immer noch eingepackt. Ich hatte gehofft, es wäre inzwischen irgendwie verschwunden.
»Du erinnerst dich doch an unseren Deal, oder Joe? Du er innerst dich doch noch, dass es um zwei Sandwiches ging?«
»Ich erinnere mich.«
»Siehst du? Das ist gut. Denn nach allem, was man in letzter Zeit so von dir hört, kannst du dich an nichts mehr erinnern. Heb es auf«, sagt er und deutet auf das Sandwich.
Ich hebe das Sandwich auf und packe es aus. »Bevor du davon abbeißt«, sagt er, »warum schaust du nicht noch mal nach, was drauf ist?«
Ich schaue erneut nach. Käse. Fleisch, von dem ich nicht mal erahnen kann, von welchem Tier es stammt. Mittendrin klebt das Knäuel Schamhaar.
Ich klappe das Sandwich wieder zusammen. Ich denke an Melissa und daran, wie ich aus dem Knast entkomme, denke an die Bücher und die Nachricht. Ich denke an bessere Zeiten in der Vergangenheit und an bessere Zeiten, die noch vor mir liegen.
»Der Deal«, sagt Adam.
Der Deal. Ich halte die Luft an und beiße hinein.
Kapitel 35
Die Dreharbeiten zu The Cleaner im Kasino wurden abgeblasen. Die Kasinobetreiber waren mit der Geschichte nicht glücklich. Sie konnten sich nicht mit einer Fernsehserie anfreunden, die den Eindruck erweckt, in hoffnungslosen Zeiten würden hoffnungslose Menschen mit einem Plan A und einem Plan B das Kasino aufsuchen. Plan A bedeutet, dass sie alles, was sie haben, auf Rot oder Schwarz setzen. Und Plan B hängt davon ab, wie Plan A verläuft. Es gibt nämlich zwei B-Pläne. Bei Nummer eins nimmt man den Gewinn und zahlt damit die Hypothek ab. Das ist die Variante von Plan B, auf die jeder hofft. Die fünfzigprozentige Chance, seinen Einsatz zu verdoppeln, um ein besseres Leben zu führen. Mit einer abbezahlten Hypothek, einem neuen Wagen, ein paar neuen Spielzeugen. Das Problem ist nur, dass gleichzeitig die fünfzigprozentige Chance besteht, sein Geld zu verlieren, was alles noch viel schlimmer macht. Dann kommt Plan B Nummer zwei ins Spiel. Bei dieser Variante sucht man die Toilette auf und wirft einen Haufen Pillen ein oder schneidet sich die Pulsadern auf oder steckt sich den Lauf einer Pistole in den Mund und drückt ab.
Das nächste Problem ist nun, dass Plan B Nummer zwei sehr viel häufiger zum Einsatz kommt, als die Leute denken. Die Kasinoleitung wollte nicht, dass den Menschen das vor Augen geführt wird. Könnte man dagegen wetten, gäbe es nur eine geringe Quote. Die Betreiber glaubten, die Sendung sei nicht gut fürs Geschäft. Wahrscheinlich haben sie damit recht. Die Poster an den Wänden von Männern in Anzügen, die Geld in die Luft werfen, umringt von hübschen lachenden Frauen, würden sich nicht so gut machen, wenn sie von Postern von Toten auf der Toilette und Sprüchen wie Lass die Würfel rollen umgeben wären. Letzten Monat war das Kasino mit den Dreharbeiten noch einver standen gewesen, aber gestern Abend wollten sie nicht mehr. Trotzdem bleibt es bei der Geschichte. Das Filmteam hat Außenaufnahmen von dem Kasino. Kein
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