Opferzeit: Thriller (German Edition)
Problem. Und es hat Innenaufnahmen aus einer fünf Jahre alten Dokumentation, damals hat das Kasino in einer Einverständniserklärung das Material freigegeben. Tja, jetzt wird man es für The Cleaner verwenden.
Statt in der Kasinotoilette drehen sie in der Toilette des Fernsehstudios im zweiten Stock. Sie wurde extra dafür um gebaut. Mit hübscheren Türen. Hübscherer Einrichtung. I m Hintergrund werden Archivgeräusche von Spielautomaten zu hören sein. Das wird funktionieren.
»Was halten Sie davon?«, fragt der Drehbuchautor, derselbe, mit dem er gestern schon zu tun hatte, ein Typ na mens Chuck Jones. Er ist allerdings nicht mit Jones verwandt, ja, manchmal bezweifelt Schroder, dass Chuck überhaupt mit irgendjemandem verwandt sein könnte. »Sieht das Blut echt genug aus?«
Schroder schaut sich in der Toilette um. An der Decke und oben an der Wand sind Blutspritzer. Das Blut von jemandem, der sich eine Pistole unters Kinn gehalten und abgedrückt hat. Dem ganzen Kunstblut nach zu urteilen muss die Pistole eine ziemliche Durchschlagskraft gehabt haben. Sie muss einen infernalischen filmmäßigen Knall gemacht haben. Aber er hat so was schon mal gesehen, und es wirkt einigermaßen echt, wenn auch ein wenig übertrieben.
»Sieht gut aus«, sagt Schroder.
»An diesem Punkt der Geschichte wurde die Leiche bereits abtransportiert und die Polizei ist abgezogen«, sagt er. »Es ist drei Tage her, dass sich hier jemand umgebracht hat, und der Tatort wurde inzwischen wieder freigegeben.«
»Man würde einen Tatort schneller wieder freigeben«, sagt Schroder. »Erst recht in einem Kasino wie diesem.«
»Okay, schön, aber in diesem Fall hat man es nicht getan. Ich weiß nicht, vielleicht hat es Komplikationen gegeben. Wir werden uns was einfallen lassen. Jedenfalls ist das Blut getrocknet. Es ist ziemlich hart geworden, und die Jungs haben Mühe sauber zu machen. Jake klettert auf die Toilette, um ganz oben hinzukommen, die Toilette bricht aus der Wand, und dadurch stoßen sie auf die versteckten Casinochips, die aus dem Spülkasten fallen. Natürlich beschließen die Jungs, sie zu behalten.«
»Klingt …«, sagt Schroder, bringt den Satz aber nicht zu Ende. Klingt … charmant? Bescheuert?
»Es wird funktionieren«, sagt Chuck. »Wie in jedem guten Drama braucht man hin und wieder ein paar komische Momente.«
»In der Sendung geht es um Tatortreiniger, die hinter den Toten sauber machen«, sagt Schroder. »Diesmal ein armes Schwein, das auf das Beste gehofft hat und auf das Schlimmste gefasst war, und das Schlimmste hat er gekriegt. Finden Sie das wirklich so komisch?«
»Alles kann komisch sein, wenn man es nur richtig rüberbringt«, sagt Chuck. »Wie gesagt, es wird funktionieren. Die Jungs haben also Schwierigkeiten, weil das Blut stark getrocknet ist. Es klebt in den Fugen zwischen den Fliesen.«
»Das geht alles so in Ordnung«, sagt Schroder.
»Gut. Gut, ich wollte nur sichergehen.«
Schroder hat da so seine Zweifel. Alle seine Hinweise, seit er für The Cleaner arbeitet, wurden in den Wind geschlagen, weil angeblich die Geschichte sonst nicht funktioniert. So wie Chuck irgendwann gesagt hat – manchmal kommt die Wirklichkeit einer guten Geschichte in die Quere . Schroder wird klar, dass schlechte Drehbücher einer guten Geschichte ebenfalls in die Quere kommen können.
In der Toilette werden weitere Scheinwerfer aufgebaut, und schließlich wird die nachgebildete Toilette an die nachgebildete Fliesenwand geschraubt. Der Drehort wird immer noch hergerichtet, als Schroders Handy klingelt. Es ist Rebecca Kent. Er hat sich auf diesen Anruf gefreut und sich zugleich davor gefürchtet.
»Haben Sie schon die Neuigkeiten gehört?«, fragt sie ohne Begrüßung, und er weiß, dass sie sauer auf ihn ist.
»Was für Neuigkeiten?«
»Die Staatsanwaltschaft hat mit Middleton einen Deal gemacht. Er wird uns zu Detective Calhouns Leiche bringen.«
»Das sind gute Neuigkeiten«, sagt Schroder.
»Sie haben ihm in Calhouns Fall Straffreiheit zugesichert, weil wir wissen, dass er ihn nicht getötet hat.«
»Ach ja?«, sagt Schroder.
»Tun Sie nicht so überrascht«, sagt Kent. »Bei dem Deal geht es um noch mehr, und das wissen Sie, denn Sie haben ihn eingefädelt.«
»Hören Sie, Rebecca …«
»Das ist ein Scheißdeal, Carl«, sagt sie und wird dabei so laut, dass Chuck sich umdreht und rüberschaut. Schroder tritt hinaus in den Flur, um sich dort beschimpfen zu lassen, damit ihr Gespräch nicht in einer
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