Ophran 3 Die entflohene Braut
wissen, ob meine Eltern sich Sorgen um mich gemacht haben? “ „Amelia, mein Liebes, seit du gestern verschwunden bist, sind deine Eltern ganz krank vor Sorge. Sie hatten schließlich keine Ahnung, ob du aus freien Stücken fortgelaufen oder aber entführt worden bist. Du kannst dir ihre Qualen gewiss vorstellen. “
„Wenn ihnen mein Wohlergehen wirklich am Herzen läge, hätten sie niemals versucht, meine Beziehung zu dir zu zerstören und mich in eine Ehe zu zwingen, die ich nicht ertragen hätte“, entgegnete Amelia hitzig. „Alles, was sie wollen, ist, ihre Tochter mit einem Herzog zu verheiraten, um das Ansehen der Familie zu mehren und dafür zu sorgen, dass ihre Enkel adlig geboren und erzogen werden. Ich bin für sie nur ein Mittel zum Zweck, mehr nicht. “
„Du urteilst zu streng über sie. Deine Eltern wollen nur dein Bestes. “ Er zögerte einen Augenblick, bevor er vorsichtig hinzufügte: „Lord Whitcliffe kann dir ein Leben bieten, wie ich es nicht kann, Amelia. “
Ein ungutes Gefühl beschlich sie und ließ sie frösteln. „Ich will kein Leben an der Seite von Lord Whitcliffe! Ich will mein Leben mit dir verbringen! “
„Und ich das meine mit dir“, beteuerte Percy, während er fortfuhr, sie in eleganten Kreisen über die Tanzfläche zu führen. Ein wehmütiger Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. „Leider ist mir dieses Glück nicht vergönnt, meine Liebe. “ Das ungute Gefühl verwandelte sich in höchste Besorgnis. „Was willst du damit andeuten? “
„Die Flamme unserer Liebe loderte eine Weile lang hell, holde Amelia. “ Percy hielt inne, damit Amelia sein, wie er fand, beneidenswertes dichterisches Talent bewundern konnte. „Leider ist diese Zeit nun vorüber, meine Liebe. Wir müssen uns in unser Schicksal fügen, wie tragisch und schmerzlich es auch sein mag. “
Amelia wäre um ein Haar über den Saum ihres Kleides gestolpert. „Versuchst du mir etwa zu sagen, dass du Edith Fanshaw tatsächlich heiraten willst? “
„Ich habe Miss Fanshaw mein Wort gegeben. “ Percy blickte sie bekümmert an, als sei die Angelegenheit für ihn viel schmerzvoller als für sie. „Ich kann es nicht brechen. “ Seine Augen wurden noch wässriger. Einen Moment lang sah es so aus, als würde er tatsächlich eine Träne vergießen.
„Du hast auch mir dein Wort gegeben! “ rief Amelia ihm in Erinnerung, hin und her gerissen zwischen ungläubigem Zorn und Verletztheit. „Oder ist die Liebe, die du mir schworst, weniger wert als die, die du in Miss Fanshaws Armen gefunden hast? “
„Amelia... “
„Sag mir, Percy, hast du sie umschlungen und ihr erzählt, sie gliche einer kostbaren Orchidee, die du für immer vor der Welt beschützen wollest? “ fragte sie bitter. „Oder hast du diesen Teil ausgelassen und ihr ohne Umschweife beteuert, du seiest nie zuvor einer Frau begegnet, die dein Herz so zu rühren vermag wie sie? Hast du sie auf den Mund geküsst und ihr zugeflüstert, die Berührung ihrer Lippen würde dich entflammen? Oder ist es dir nicht gelungen, sie der ständigen Bewachung ihrer Eltern zu entreißen? “
„Nun wirst du ordinär. “ Seine wasserblauen Augen hatten einen verärgerten Ausdruck angenommen. „Ich erwarte von dir, dass du in dieser Angelegenheit mehr Würde zeigst. “
„Aber ich besitze keine Würde, Percy. Ich bin Amerikanerin, hast du das vergessen? Wir verstehen uns nicht darauf, unsere Gefühle zu verbergen. Das war eines der Dinge, die du angeblich so erfrischend an mir fandest... dass ich offen und ehrlich bin. “
„Es gibt Augenblicke im Leben, in denen Offenheit erwünscht ist, und andere, die nach angemessener Etikette verlangen“, erklärte Percy kühl. „Wenn achthundert Menschen ihre Augen auf dich richten, solltest du dich schicklich und beherrscht verhalten. Du möchtest dich und deine Familie gewiss nicht vor der Creme der Londoner Gesellschaft bloßstellen? “
Amelia stockte der Atem. „Was meinst du damit: meine Familie? “
Er wies mit dem Kopf in eine Ecke des Saals.
Amelia folgte mit den Augen seiner Bewegung.
Und entdeckte zu ihrem Entsetzen ihre Eltern nebst ihren Brüdern William und Freddy, die zu beiden Seiten von Lord Whitcliffe standen. Ihr verlassener Bräutigam starrte sie finster an und wirkte beinahe ebenso wütend wie am Tag zuvor, als sie ihn heimlich aus Jacks Kutsche heraus beobachtet hatte.
Das ist nicht möglich, dachte Amelia verzweifelt. Wie hatten sie wissen können, dass sie in London war und
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