Ophran 3 Die entflohene Braut
geschneidert worden war. Lord und Lady Wilkinson müssen offenbar sparen, überlegte Percy, während er sich ein Glas Champagner nahm. Bei der Ausstattung des Ballsaals und der Bewirtung waren weder Kosten noch Mühen gescheut worden, doch die Kleidung der Dienerschaft ließ stets Rückschlüsse auf die finanzielle Lage der Gastgeber zu. Sobald er verheiratet war und seiner Geldsorgen ledig, würde er dafür sorgen, dass sein gesamtes Hauspersonal vollständig neu eingekleidet wurde.
„Eine nette Party, finden Sie nicht, Lord Philmore? “
Percy blickte den tatterigen alten Lakaien mit hochgezogener Braue an, während er an seinem Champagnerglas nippte. Es war nicht ungewöhnlich, dass der alte Bursche seinen Namen kannte. Vermutlich hatten Lord oder Lady Wilkinson ihn aus einer Ecke des brechend vollen Ballsaals erspäht und den Mann angewiesen, ihm etwas zu trinken anzubieten. Schließlich war er der Ehrengast, der um Punkt zehn seine Verlobung mit Edith Fanshaw verkünden sollte. Es ist nicht gerade das Ereignis des Jahrzehnts, erkannte Percy verdrossen. Gewiss war es nicht mit der wenige Monate zurückliegenden Ankündigung des Duke of Whitcliffe zu vergleichen, die sagenhaft reiche Amelia Belford zu heiraten. Dennoch erregte jede Verlobung zwischen einem englischen Lord und einer amerikanischen Erbin Aufsehen in der Londoner Gesellschaft, und Lady Wilkinson konnte getrost damit rechnen, dass die Zeitungen am nächsten Tag auf den Gesellschaftsseiten über ihren Ball berichten würden.
Was Percy befremdlich fand, war, dass dieser schlecht gekleidete Lakai ihn in eine Plauderei verwickeln wollte, als seien sie einander ebenbürtig oder alte Bekannte.
„Vielleicht sollten Sie schauen, ob noch jemand eine Erfrischung wünscht“, entgegnete Percy steif und richtete seine Aufmerksamkeit auf die elegant gekleideten Damen und Herren, die über die Tanzfläche wirbelten.
„Hier sieht niemand so aus, als ob er vor Durst umkäme. “ Der alte Mann guckte ihn mit empörender Eindringlichkeit an. „Miss Belford wird nicht kommen“, raunte er.
Percys blasse Züge verzerrten sich, als er erkannte, dass sein Gegenüber kein normaler Lakai war. „Das muss sie aber! “
„Ihr Verlangen, sie zu sehen, ist äußerst rührend. Leider war die Wahl Ihres Treffpunktes nicht sehr klug. “ Jacks Gesicht nahm unter der kunstvoll aufgetragenen Schminke einen harten Ausdruck an. „Sie wissen sicher, dass eine beträchtliche Belohnung auf jeden wartet, der Miss Belford zu ihren Eltern zurückbringt. War Ihnen nicht bewusst, dass man sie hier sofort erkennen und sie Gefahr laufen würde, ergriffen zu werden? “
„Unsinn! “ widersprach Percy, der seine Fassung wiedererlangt hatte. „Miss Belford befände sich unter Freunden. Ich würde nicht zulassen, dass ihr etwas zustößt. “
Jack musterte ihn eindringlich. Er war unsicher, ob sein Gegenüber aufrichtig war oder nicht. Eine innere Stimme warnte ihn zwar, dass Lord Philmore nicht zu trauen sei, doch er konnte nicht mit Gewissheit sagen, ob er lediglich so empfand, weil er den eingebildeten Narren nicht ausstehen konnte.
„Sie wird heute Abend nicht zu Ihnen kommen“, erklärte Jack schroff. Er hatte das Haus zwei Stunden zuvor mit dem Schwarm der Lakaien, Dienstmädchen, Köche und Pagen betreten, die für den Abend angeheuert worden waren, um beim Ball auszuhelfen. „Es ist zu gefährlich. Sie wird Sie morgen treffen. “
Percys Schnurrbart zuckte. Jack musste bei seinem Anblick an ein verärgertes Nagetier denken. „Aber das ist nicht das, was ich arrangiert habe! “
Jack widerstand dem Drang, sich abzuwenden und zu gehen. „Hören Sie gut zu: Morgen um zwei wird eine Kutsche vor dem Marbury Club auf Sie warten. Sobald der Fahrer sich davon überzeugt hat, dass Ihnen niemand folgt, bringt er Sie zu einem sicheren Ort, wo Sie Amelia treffen werden. “ „Wo wird das sein? “ fragte Percy.
„Das brauchen Sie nicht zu wissen. “
„Ich denke nicht daran, mich einfach in irgendeine Kutsche zu setzen und mich von einem Fremden fortbringen zu lassen“, entgegnete er empört.
„Wie Sie meinen. “ Jack wandte sich zum Gehen.
„Warten Sie! “
Er zögerte.
„Wenn ich bei ihr bin, wie geht es dann weiter? “
„Das liegt an Ihnen. Sie ist jetzt völlig mittellos“, erklärte Jack ohne Umschweife. „Sie hat alles verloren, als sie vor Whitcliffe davonlief. Falls Sie Vorhaben, sie zu heiraten, sollten Sie wissen, dass Sie nur Amelia selbst
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