Ophran 3 Die entflohene Braut
sagen, ob sie sich vor dem Weg ins Ungewisse fürchtete, den sie einschlagen wollte, oder ob es die Angst war, schließlich doch ergriffen und zur Hochzeit mit Whitcliffe gezwungen zu werden.
Jack stieß einen lautlosen Fluch aus. Sein Leben würde sich wesentlich einfacher gestalten, wenn Amelia sich den Wünschen ihrer Familie beugte, und den alten Herzog heiratete. Whitcliffe hatte sie nicht verdient, doch er erschien Jack nicht ganz so verachtenswert wie Philmore. Wenigstens würde er sie nicht mit einer Parade männlicher Liebhaber demütigen. Er würde sich vielleicht die ein oder andere Mätresse gönnen, doch das galt in seinen Kreisen als durchaus annehmbar. Amelia könnte ihn heiraten und ihren Platz in der Gesellschaft einnehmen, ohne dass ihr Vermögen oder ihr guter Ruf Schaden nehmen würden.
Und er selbst könnte sein eigenes verflixtes Leben weiterleben, frei von jeglicher Verantwortung ihr gegenüber.
„Bitte, Jack. “ Amelia schaute ihn flehentlich an, denn sie spürte, dass er zögerte, sich weiter in ihre Lage hineinziehen zu lassen. „Bitte! “
Ihr Griff wurde fester, als fürchte sie, Jack könne sie plötzlich loslassen und dem Schicksal ausliefern, das ihre Eltern ihr zugedacht hatten. Und in diesem Augenblick fiel ihm abermals wieder ein, wie es war, verzweifelt zu sein. Das Gefühl überflutete ihn wie eine dunkle Woge, spülte seine Zurückhaltung fort und ließ nur die Kaltblütigkeit zurück, der er sein Überleben verdankte.
„Wir können nicht über die Haupttreppe fliehen, also versuchen wir es über den westlichen Flur, der zur Küche führt“, erklärte er, nachdem er sich rasch einen Überblick über ihre begrenzten Fluchtmöglichkeiten verschafft hatte. „Bleiben Sie dicht bei mir, sobald wir dort sind. “
Er begann, sie in einem sanften Bogen zu dem gewählten Ausgang zu führen, und war zum ersten Mal in seinem Leben dankbar, dass Genevieve darauf bestanden hatte, dass er Tanzstunden nahm. Er war kein guter Tänzer, doch er wusste zumindest, wie man eine Frau durch einen Ballsaal führt, ohne dabei über die eigenen Füße zu stolpern. In jenem Augenblick erwies sich diese Fähigkeit als unbezahlbar.
Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass sie rasch umzingelt wurden. Philmore hatte sich des Tabletts entledigt und bahnte sich wütend einen Weg durch die überfüllte Tanzfläche. Auch John Belford stapfte - mit finsterer Entschlossenheit im Blick - auf Amelia zu. Seine grimmige Miene ließ keinen Zweifel daran, dass er seine Tochter nachdrücklich daran zu erinnern gedachte, dass er der Herr über ihr Leben war. Ihre beiden Brüder hatten sich rechts und links der breiten Marmortreppe postiert, in der irrigen Annahme, ihre Schwester würde auf demselben Wege zu fliehen versuchen, auf dem sie gekommen war.
Lord Whitcliffe blieb bei Amelias Mutter stehen und leerte mit sauertöpfischer Miene sein Glas.
Nur noch eine Minute Musik, dachte Jack, während er Amelia mit weit ausladenden Schritten in die Ecke des Ballsaals führte. Mehr brauche ich nicht...
„Das reicht, Amelia! “ Percy legte ihr unsanft die behandschuhte Rechte auf die Schulter. „Für heute hast du dich und deine Familie genug lächerlich gemacht. Du wirst jetzt anstandslos mit mir zu Whitcliffe gehen und dich entschuldigen. “
„Nehmen Sie Ihre Finger von ihr! “ Jacks Stimme klang gefährlich leise. „Bevor ich sie Ihnen breche! “
„Hören Sie, alter Mann, ich weiß nicht, wer Sie sind, doch das hier ist eine Familienangelegenheit
Jack riss Percys Hand von Amelias Schulter und drückte den Daumen des Viscounts so weit zurück, dass er um ein Haar aus dem Gelenk gesprungen wäre.
Percy heulte auf vor Schmerz und sackte in die Knie. „Meine Hand! “ jammerte er lauthals. „Sie haben sie gebrochen! “
„Was zum Teufel geht hier vor? “ fragte Arthur Fanshaw, der mit Frau und Tochter auf dem oberen Treppenabsatz stand.
„Laufen Sie! “ Jack schob Amelia durch die Menge der entsetzten Tanzpaare.
„Stehen bleiben! “ rief John Belford mit donnernder Stimme, nicht ganz sicher, ob seine Tochter gerade davonlief oder entführt wurde. „Haltet sie auf! “
Der Ballsaal verwandelte sich in einen Hexenkessel, als die Hälfte der Anwesenden versuchte, näher an Jack und Amelia heranzukommen, während die andere Hälfte ihr Heil in der Flucht suchte, da es sich bei Jack offenbar um einen gefährlichen Gewalttäter handelte.
Ein spitzer Schrei zerriss die Luft. Amelia wandte sich um
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