Ophran 3 Die entflohene Braut

kümmern, ohne ihren Ruf dabei vollends zu ruinieren? “
    „Du wirst auch da sein. “
    „Ach so, dann ist ja alles in Ordnung! “ entgegnete Oliver spöttisch. „Waren Sie wirklich so lange auf See, dass Sie nicht mehr wissen, was sich gehört? “
    „Na schön“, erwiderte Jack aufgebracht. „Was schlägst du vor? “
    „Wir werden Doreen und Eunice bitten, bei uns zu bleiben“, beschloss Oliver.
    „Und was sagen wir Genevieve? “
    „Da wird Ihnen schon etwas einfallen. “
    „Wer sind Eunice und Doreen? “ wollte Amelia wissen.
    „Sie gehören zur Familie“, erläuterte Jack. „Eunice war einst Genevieves Köchin, und Doreen half, das Haus sauber zu halten, doch in Wahrheit sind sie mehr als das. “ Er wollte nicht, dass sie dachte, die beiden Frauen seien einfache Dienstmägde.
    „So etwas wie zwei alte Tanten“, ergänzte Oliver. „Miss Genevieve hat sie aus dem Gefängnis geholt, so wie mich auch, und seither leben sie bei ihr. “
    Amelias Augen weiteten sich voller Faszination. „Tatsächlich? Weshalb saßen sie im Gefängnis? “
    „Wegen Diebstahl. Doch sie waren keine berufsmäßigen Diebe wie ich“, schränkte Oliver ein, und es klang, als blicke er selbst auf eine glorreiche Karriere zurück. „Sie waren reine Amateure. “
    „Sie werden Ihnen das ein oder andere beibringen können“, mutmaßte Henry. „Nicht, wie man schießt, wohlgemerkt! “ Es war offensichtlich, dass er sich für den einzig geeigneten Lehrmeister für diese besondere Fertigkeit hielt.
    „Doch andere Dinge, da bin ich sicher. “
    „Wir werden in weniger als einer Stunde in Inverness an-legen“, meinte Jack nach einem prüfenden Blick auf die straff geblähten Segel der „Charlotte“. „Sie gehen jetzt besser nach unten und ziehen sich um. Ich habe Ihnen ein paar Kleidungsstücke auf Ihr Bett gelegt. “
    Amelia guckte ihn überrascht an. Sie trug seit drei Tagen ihr Abendkleid mit Jacks wärmendem Mantel darüber, weil sie in seiner Kajüte nichts Passendes zum Anziehen gefunden hatte. „Sie haben Frauenkleider an Bord? “ Warum hat er sie mir dann nicht früher angeboten, fragte sie sich.
    „Ich habe eine Verkleidung für Sie“, entgegnete Jack. „Vermutlich hat die örtliche Presse schon von Ihrem Verschwinden und der ausgesetzten Belohnung erfahren. Sie dürfen daher nicht auffallen, wenn Sie von Bord gehen. Ihr Ballkleid würde zu große Aufmerksamkeit erregen - selbst mit meinem Mantel darüber. “
    „Sie müssen auch Ihr Haar bedecken“, riet Oliver stimrunzelnd. „Danach werden sich gewiss nicht wenige den Hals verrenken, bevor wir eine Kutsche mieten können. “ „Daran habe ich gedacht. “
    „Dann ist ja alles gut. “ Amelia freute sich darauf, ihr Haar unter einem hübschen Hut zu verbergen und ein frisches Kleid zu tragen, das nicht so schwer und unbequem war wie ihre extravagante Abendrobe. „Ich gehe mich rasch umziehen. “
    „Wenn meine Mutter mich jetzt sehen könnte, würde sie in Ohnmacht fallen. “
    „Das Hemd und die Hosen sind ein wenig weit“, gab Oliver zu, „doch abgesehen davon, geben Sie einen feschen jungen Burschen ab. “
    Die schweren Hosen und der dunkle Mantel, den Jack ihr gegeben hatte, waren viel zu groß, genau wie das weiße Leinenhemd. Amelias Haar war unter eine dicke Wollmütze gestopft worden, die es zwar wirksam verbarg, doch völlig lächerlich wirkte. Sie hatte darum gebeten, ihre eigenen Schuhe anbehalten zu dürfen, da man sie unter den weiten Hosen ohnehin nicht sehen würde. Auf diese Weise waren ihr zumindest die klobigen Stiefel erspart geblieben, die Jack ihr zugedacht hatte und mit denen sie gewiss gestolpert wäre, während sie über den Pier zu der von Jack gemieteten Kutsche eilte.
    „Es ist nicht weit bis zum Haus, und dann können Sie wieder Ihr eigenes Kleid anziehen“, versprach Oliver.
    „Eine Kutsche folgt uns. “ Jack klang angespannt.
    Oliver warf einen flüchtigen Blick aus dem Rückfenster. „Ja, und dahinter kommt noch eine, und dahinter die nächste. Sie sehen Gespenster, Junge! “ schalt er. „Niemand hier erwartet uns, und es ist völlig ausgeschlossen, dass irgendjemand Amelia kennt. “
    „Oliver hat Recht, Jack“, meinte Amelia. „Keiner weiß, dass ich auf der, Charlotte“ war, also dürften wir für den Augenblick in Sicherheit sein. “
    Jack fuhr fort, den kleinen dunklen Wagen zu beobachten, der ihnen folgte, und versuchte, das Gesicht des Fahrers zu erkennen. Nach einer Weile bog das