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Opium bei Frau Rauscher

Opium bei Frau Rauscher

Titel: Opium bei Frau Rauscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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ein Dienstag, kam alles zusammen. Erst hatte sein Fahrrad einen Platten, dann ließ Herr Schweitzer im Supermarkt eine Flasche Milch fallen, und schließlich hatte er die nächsten beiden Fahrstunden. Und seine neue Fahrlehrerin Brigitte war tatsächlich mit dem knapp bemessenen Gut der unendlichen Geduld ausgestattet. Und die war auch vonnöten. Am-Berg-Anfahren stand heute auf der Liste. Hätte Herr Schweitzer in seinem Leben so viele Menschen erwürgt wie er den Motor abwürgte, er wäre der mit Abstand erfolgreichste Massenmörder der Geschichte. „Das wird schon“, „es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“, „jeder hat mal klein angefangen“. Dies waren in etwa jene Stereotypen, mit denen Brigitte einen Einblick in ihre tiefenpsychologischen Kenntnisse gewährte. Und die den verzweifelten Herrn Schweitzer weiter an sich glauben ließen. Denn Frau Brigittes innigste Überzeugung war, kein Mensch ist doof geboren, alles sei nur auf die unterschiedlichen Bildungsmöglichkeiten zu beziehen. Sie trank viel Tee und war sehr engagiert in Gewerkschaftsdingen, Dritte-Welt-Eine-Welt-Projekten und trotteligen Fahrschülern.
    Doch irgendwann stößt jeder an seine Grenzen. Trotzdem war sie immer noch höflich und ihre Stimme samtweich, als sie Herrn Schweitzer den Vorschlag unterbreitete, den Führerschein auf einem Automatik-Wagen zu machen, das ginge, man dürfe späterhin dann halt kein Schaltgetriebe fahren, das sei alles. Der Herr Schweitzer war sofort einverstanden, hatte auch noch gefragt, warum man ihm dies nicht schon früher gesagt habe. Daraufhin hätte Brigitte nun, wäre sie bei der Wahrheit geblieben, entgegnen müssen, daß sie so einen Kasus wie Simon Schweitzer noch nie erlebt habe.
    Das ging natürlich nicht, also: „Entschuldige, Simon. Aber unsere alte Firmenphilosophie besagt, man solle erst einmal die herkömmlichen Methoden anwenden. Das ist hiermit geschehen.“
    Damit traf Brigitte exakt Herrn Schweitzers Nerv. Neue Methoden waren ihm schon immerzu suspekt, und da vor allem die allerneusten wie Computer und Verbrennungsmotor.
    Zur Aufmunterung durfte er das Auto die hundertfünfzig Meter zurück in den Hof der Fahrschule steuern. Brigitte bediente die Pedale und Gangschaltung. Herrn Schweitzer war das Lenkrad überantwortet. Und blinken durfte er auch noch.
    Die beiden hatten ihre ganz spezielle Art des Zahlungsausgleichs. Herr Schweitzer übernahm den Deckel von Funkal, und der Polizist stattete den noblen Spender mit den benötigten Informationen aus dem Polizeicomputer aus. Auf Dauer war das ziemlich gesundheitsschädigend, denn Herr Schweitzer mußte mittrinken. Und wenn, wie an diesem Abend, auch noch Funkals Kollegen Marlies und Odilo Sanchez mit am Tisch saßen, konnte es mitunter ganz schön heftig werden.
    Fast hätte sich der Zecher Schweitzer übergeben müssen, als er in der Früh den Frühzecher – nomen est omen – verließ. Erst der neunte oder zehnte Versuch saß, dann hatte er sein Fahrradschloß aufbekommen. Und hätte er zu dieser Stunde einen Unfall verursacht, Herrn Schweitzers Führerschein wäre noch vor der Prüfung pfutsch gewesen. Doch Fahrradfahren konnte er einigermaßen, und so kam er gut nach Hause.
    Im Bett versuchte er noch, Funkals Dossier über Horst Keller zu entschlüsseln, doch tanzten die Buchstaben vor seinen Augen. Morgen ist auch noch ein Tag, war sein letzter Gedanke.
    Der Rest, bevor’s konfus wurde, ist schnell erzählt.
    Erst kurz vor vierzehn Uhr hatte Herr Schweitzer ausgeschlafen. Nach zwei Tassen extrem starken Kaffees hatten auch die Buchstaben ausgetanzt, und Horst Keller nahm Konturen an. Seine Strafe hatte er in Hamburg-Fuhlsbüttel verbüßt. Entlassen wurde er auf den Tag genau vor zwei Wochen. Und er wollte seinen alten Beruf Vollmatrose wieder aufnehmen. Durch etliche Piratenbücher und Seefahrerfilme wußte Herr Schweitzer, daß Matrosen erstens in jedem Hafen eine Braut hatten und zweitens verdammt viel soffen. Daß dies jedoch in die Berufsbezeichnung Vollmatrose einfloß, fand er der Diskriminierung zu viel. Unter dem Vorwand, ein nahestehender Verwandter zu sein, rief er bei der angegebenen Reederei an und erfuhr, Horst Keller sei nicht zu sprechen, weil mit einem Containerschiff unterwegs nach Südostasien. Und wer derart auf den Weltmeeren reiste, konnte schlecht zur gleichen Zeit eine eventuelle alte Rechnung mit Jürgen Sikora begleichen.
    Na also, dachte Herr Schweitzer, habe ich die Hysterie dieser Sabine doch

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