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Opium bei Frau Rauscher

Opium bei Frau Rauscher

Titel: Opium bei Frau Rauscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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daß die Straßenbahnlinie 14 demnächst nicht mehr nach Neu-Isenburg fahren sollte. Und bisweilen kam es auch vor, daß in puncto Lokalpolitik relevante Insiderinformationen ausgetauscht wurden, lange bevor die Presse davon Wind bekam.
    Derartige Institutionen wie das Weinfaß gibt es wahrscheinlich überall auf der Welt. Versammlungsorte, an denen getratscht und Politik betrieben wurde, Geschäftskontrakte, von denen das Finanzamt nichts wissen durfte, per Handschlag besiegelt, oder einfach nur gezecht und gefeiert wurde. Außer bei Maria fühlte sich Herr Schweitzer in keinem anderen Dunstkreis wohler. Hier konnte jeder nach Belieben ausschweifig referieren oder schwafeln, als würde er pro Wort bezahlt. Und wenn keiner mehr zuhörte, sei es, weil man zu betrunken war, sei es, weil das Thema nicht interessierte, so war das ebenfalls völlig schnuppe, Hauptsache, man hörte sich noch selbst.
    Trotz drängender Fragen nach Art seines Auftrags und Name des Auftraggebers hielt sich Herr Schweitzer bedeckt. Er wußte schließlich, was sich gehört. Da aber sowohl Weizenwetter als auch Buddha Semmler späterhin noch einen Lokalwechsel vollführten, machten in der gleichen Nacht zwei unterschiedliche Gerüchte die Runde. Bei dem einen war Herr Schweitzer einem Kunstdiebstahl auf der Spur, bei dem anderen stand er kurz davor, einem korrupten Bundestagsabgeordneten das Handwerk zu legen.
    Seine Zeche lag im dreistelligen Bereich.
    Trotz der Begleitumstände der letzten Nacht fühlte sich Herr Schweitzer fast topfit, als gen zehn sein Wecker klingelte. Maria hatte bei ihm im Mittleren Hasenpfad übernachtet, er ließ sie weiterschlafen. Seine Mitbewohnerin Laura Roth war arbeiten gegangen. Ein heißer Kaffee spülte die letzten Verwüstungen hinfort. Erst als er die Treppe herabstieg, bemerkte er ein leichtes Schwindelgefühl.
    Fünf Minuten später öffnete er die Tür des Juweliergeschäfts Sikora auf der Textorstraße, kurz vor der ersten Apfelweingaststätte. Ein über dem Türrahmen angebrachtes Windspiel signalisierte sein Eintreten.
    „Ah, Simon, du bist’s schon.“ Sabine schien erfreut zu sein.
    Er schaute sich um und war beeindruckt. Marmorboden, Kronleuchter und antike Louis-Philippe-Vitrinen, in denen teure Uhren und diamantener und goldener Schmuck jedweder Art prunkten, ließen die schäbige Außenfassade des Gebäudes vergessen. Es war, als wäre er in eine andere Welt getreten. Auch das kleine, unscheinbar dekorierte Schaufenster ließ nicht vermuten, daß sich dahinter ein Ausstellungsraum von nahezu fünfzig Quadratmetern verbarg. Viel fehlte nicht, und Herr Schweitzer hätte einen anerkennenden Pfiff ausgestoßen. Nun ergab auch der Luxuswagen Sabines einen Sinn. Er vermutete, hauptsächlich die Reichen und Schöngeschminkten vom Lerchesbergring verkehrten hier. Auch wunderte er sich jetzt nicht mehr, daß das Geschäft, so wie es äußerlich getarnt war, bislang von einem Überfall verschont geblieben war.
    „Hallöchen, ja, hier bin ich.“
    Von Sabine bekam er einen Briefumschlag überreicht. „Da drin sind mehrere Zeitungsberichte über die Sache, in die Jürgen verstrickt war.“
    Aha, dachte Herr Schweitzer, das Wort Erpressung nimmt die Dame wohl nicht so gerne in den Mund. Er nahm den Umschlag und hatte sich schon umgedreht, als Sabine sagte: „Und bitte, Simon …“
    „Ja?“
    „Äußerste Diskretion bei größtmöglicher Effektivität. Du weißt ja, die Leute …“
    „… hier in Sachsenhausen?“
    „Genau. Hier in Sachsenhausen.“
    „Ist geradezu mein Markenzeichen. Diskretion und so …“
    „Dann ist ja gut. Viel Erfolg.“
    Als Herr Schweitzer wieder auf die Straße trat, atmete er richtig durch. Er überlegte, welches Café die nun von ihm benötigte Ruhe ausstrahlte und entschied sich fürs Windhuk.
    Unter dem öligen Antlitz des Kaufmanns Adolf Lüderitz und einigen vergrößerten Schwarzweiß-Aufnahmen von Deutsch-Südwest öffnete Herr Schweitzer den Briefumschlag. Er war froh, noch einen freien Tisch ergattert zu haben. Bedient wurde er heute von der mittleren Dame des Inhabertrios Tochter-Mutter-Oma. Über den alten Friedhof und den Kinderspielplatz auf der gegenüberliegenden Straßenseite fegte ein eisiger Wind, was ein Plätzchen im Café umso heimeliger machte. Das Frühstück Swakopmund – Kaffee, zwei Eier im Glas, zwei Brötchen und Käseaufschnitt – optimierte Herrn Schweitzers Befinden. Der Hauskater Mikesch umschnurrte seine Beine. Er hatte es auf den Käse

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